Mannheim.. Das Landgericht Mannheim hat Wettermoderator Jörg Kachelmann vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen. Es ist ein Freispruch zweiter Klasse, denn von seiner Unschuld ist die Kammer nicht überzeugt. Aber es gilt: “Im Zweifel für den Angeklagten.“

Der Jubel im Gerichtssaal brandet auf, da hat Richter Michael Seidling das  entscheidende Wort „freigesprochen“ noch nicht einmal  richtig beendet. Es ist wie der befreiende Aufschrei bei einem nervenaufreibenden Fußball-Spiel, wie das Tosen beim Public Viewing. Nur er, Jörg Kachelmann, zeigt nicht  die winzigste Regung. Sein Gesicht bleibt starr, vergeblich sucht man nach einem erleichterten Lächeln.

Dabei ist dies zumindest vorläufig das Ende des Falles Kachelmann: nach 44 Prozesstagen, nach Monaten, in denen er, seine Frauen, seine Lügen und sein Sex-Leben immer wieder die Schlagzeilen beherrschten. Nicht zu vergessen die langen Wochen, die der ehemalige Wettermoderator im Gefängnis, in Untersuchungshaft verbringen musste.

Gericht sieht Kachelmann nicht als komplett entlastet

Doch es ist ein Ende mit einem faden  Beigeschmack. Sieht das Gericht Jörg Kachelmann doch nicht als komplett entlastet, als Opfer einer falschen Anschuldigung, sondern  als  einen  Angeklagten,  dessen  Schuld  oder  Unschuld sich aufgrund der Beweislage  nicht belegen  lässt.     Es  gebe, so  der Vorsitzende Richter  Seidling, „keine tragfähige  Grundlage für eine  Verurteilung“,  sondern  vielmehr „begründete  Zweifel an der    Schuld  von  Herrn Kachelmann.    Er war deshalb  vom Vorwurf der schweren Vergewaltigung und der gefährlichen Körperverletzung nach dem Grundsatz  „in dubio  pro  reo“ freizusprechen“.

Schlange stehen für den Prozess

Schon morgens um  sechs  Uhr  stehen sie   draußen vor dem Gericht  Schlange für  diesen  Prozess, der  doch erst um neun Uhr  beginnen soll. Die  üblichen Kiebitze bei solchen Verfahren, ältere Frauen und  Männer zumeist,  die sich  diesen  Urteilspruch um nichts in der Welt entgehen lassen wollen.  Eine  von ihnen gönnt  sich  nach  Prozessende  sogar  einen  Piccolo-Sekt, so  glücklich ist sie über  den Freispruch  Kachelmanns.

Im  Saal dagegen  herrscht kurz zuvor alles andere  als  sonnige   Stimmung.  Im  Gegenteil.  Richter Seidling nutzt  die  Stunde  des  Gerichts für deutliche  Worte über  die   Medien, das Internet,  den   Kachelmann-Verteidiger  Johann Schwenn und  die  Würde der Strafkammer.    Bei allem Respekt  vor der  Pressefreiheit  wolle er  die  Art und Weise kritisieren, wie  große   Teile  der  Medien  vorschnell  prognostiziert  hätten, wie  sie werteten und einseitig Fakten  präsentierten. Dies sei der Wahrheitsfindung in der Hauptverhandlung „in hohem  Maße abträglich gewesen“.  Harsche  Kritik   muss sich auch  Verteidiger Schwenn anhören.  Er habe den  Respekt vor dem  Gericht vermissen lassen, habe  ihm  „wie kleinen Kindern auf die  Finger geklopft“.  Lediglich außerhalb  des Saals habe er andere Umgangsformen  gepflegt.

Johann Schwenn, der  die Verteidigung erst im Dezember,  mitten im Prozess,  übernommen hatte, revanchiert sich später, nach der Verhandlung, in dem er das Gericht  als „überfordert“ bezeichnet. Mit dem Freispruch müsse man wohl zufrieden sein, sagt er. Das, was jedoch hinterher zu hören gewesen  sei, sei „von einer  Erbärmlichkeit, die  ihresgleichen  im Gerichtssaal suche“, so  Schwenn.

Ein emotional aufgeladener Prozess bis zum Schluss

Ein emotional aufgeladener Prozess also bis  zum  Schluss.   Daran  ändert auch die Tatsache nichts, dass  Richter Seidling    in seiner  Urteilsbegründung noch einmal detailliert auf die  Beweislage eingeht, auf  fehlende Spuren am vermeintlichen  Tatmesser, auf  die   Verletzungen am Körper des  mutmaßlichen Opfers  Simone  D. , über die   selbst  die   vielen  renommierten  Sachverständigen kein eindeutiges   Gutachten  abgeben  konnten. Waren sie  Spuren einer  Vergewaltigung oder  hatte  Simone  D.  sie  sich selbst zugefügt,    als  Racheakt der  verlassenen, der  getäuschten Frau.

Wo  moderne Techniken wie  DNA-Analyse  versagen, wo Experten  uneindeutig bleiben, ist das Gericht  vor allem auf seine eigene  Erfahrung, seine  Urteilskraft angewiesen.  Auch das  betont der  Richter noch einmal ausdrücklich.

Jene im Publikum hätten es gerne noch  klarer  zugunsten  des  früheren Fernsehmannes  gehabt.    Für  viele von ihnen hätte es nicht einmal zur Anklage kommen dürfen.  Und  während  die  für  die „Bild“-Zeitung  kommentierende   Alt-Feministin  Alice  Schwarzer schon  erste  Statements in   die  Kameras  spricht - „das  war keine  flüchtige Sex-Beziehung“ hört man sie sagen - ,  zeigt  sich  Kachelmann-Verteidigerin Andrea  Combe´ „sehr zufrieden“ mit dem Freispruch. „Eigentlich war   schon   im  vergangenen  Sommer,  schon vor der  Anklage, klar, dass es nicht  für eine Verurteilung  reichen würde“, sagt Combe´, die für  Kachelmann in der vergangenen Woche so überzeugend plädiert hatte.

Jörg Kachelmann hat zu diesem Zeitpunkt lange das Gericht verlassen. Kein Wort von ihm. Kein Lächeln. Sie, seine Ex-Geliebte, wischt sich, wie so oft an diesen letzten Verhandlungstagen, die Tränen aus dem Gesicht. Steht auf und geht. Bleiben die mahnenden Worte Richter Seidlings: „Bedenken Sie, wenn Sie künftig über den Fall reden oder berichten, dass Herr Kachelmann möglicherweise die Tat nicht begangen hat.... Bedenken Sie aber auch umgekehrt, dass Frau D. möglicherweise Opfer einer schweren Straftat war“. - Opfer tatsächlich, sind sie beide. So oder so. 

Lesen Sie dazu auch den Kommentar von Frank Preuß.