Recife. Bereits 1,3 Millionen Menschen sind mit dem Zika-Virus infiziert. Das Auswärtige Amt gibt Reisewarnungen für schwangere Frauen heraus.
Die Plakate zeigen eine überlebensgroße Mücke und in großen Buchstaben: „Gemeinsam besiegen wir die Aedes aegypti“. Diese Poster werden derzeit überall im nordbrasilianischen Bundesstaat Pernambuco aufgehängt. Um außerdem zu zeigen, wie ernst es der Regierung ist, mobilisiert sie derzeit rund 220.000 Soldaten zum Antimückenkampf. Sie sollen am 13. Februar in den betroffenen Gebieten von Haus zu Haus gehen und die Aedes-Mücken mit Sprühmitteln bekämpfen.
Der Kampf gilt im Grunde nicht den Mücken, sondern einem für das bloße Auge unsichtbaren Gegner: Dem Zika-Virus. Laut Experten ist die Lage in der Tat durchaus sehr ernst. „Das Virus galt lange Zeit als ungefährlich“, sagt Professor Holger Rabenau vom Institut für medizinische Virologie in Frankfurt dieser Zeitung. „Der klinische Verlauf war unauffällig, die Symptome ähnelten einem grippalen Infekt und bei manchen blieben sie ganz aus.“ Zudem trete die übertragende Mückenart von Südostasien über Afrika bis Südamerika auf – immer wieder einmal kam es zu Ausbrüchen. „Aber keiner hatte mit dem jetzigen Ausmaß gerechnet.“
Das Zika-Virus ist bisher in 21 Ländern Amerikas festgestellt worden, vom Karibikstaat Barbados bis Venezuela. Allein in Brasilien wird die Zahl der Infizierten auf 1,3 Millionen Menschen geschätzt, im benachbarten Kolumbien wurden seit Oktober rund 13.500 Zika-Infektionen registriert. Kolumbiens Gesundheitsministerium rät Frauen, geplante Schwangerschaften aufzuschieben. „Angesicht der Phase, in der sich die Epidemie befindet, raten wir Paaren, von einer Schwangerschaft bis Juli 2016 abzusehen“.
Bereits fast 4000 Fälle von missgebildeten Säuglingen in Brasilien
Denn das bestätigen bisher erste Untersuchungen: Die bisher unerklärliche Häufung von Neugeborenen mit zu kleiner Schädeldecke in den betroffenen Gebieten könnte im Zusammenhang mit der Zika-Infektion stehen. Erst jetzt wurde von der US-Seuchenschutzbehörde CDC eine Studie veröffentlicht, laut der bei 35 untersuchten Babys aus Brasilien alle Mütter aus einem Zika-Gebiet kamen. Drei Viertel der Mütter gaben an, während der Schwangerschaft Symptome gehabt zu haben, die denen dieses Virus ähneln. In Brasilien sind bereits fast 4000 Neugeborene betroffen.
Dass sich eine US-Behörde mit diesen Fällen befasst, liegt auch an der Nähe zu Brasilien. Seit die Nachricht von einem auf Hawaii mit einer schweren Fehlbildung am Kopf geborenen Kind in der Welt ist, gebe es „Tausende Anrufe von besorgten Müttern“, berichtete die US-Vereinigung der Gynäkologen. Hinzu kommt die Prognose der Weltgesundheitsorganisation WHO, die eine Ausbreitung bis an die kanadische Grenze vorhersagt. Werdenden Müttern, die während der Schwangerschaft in Südamerika waren und in Sorge sind, kann aber nur bedingt geholfen werden. Es fehlt an Testmöglichkeiten, sagt das Nationale Institut für Infektionskrankheiten (NIH).
Ein Impfstoff ist laut Experten noch Jahre entfernt
Das Virus hat seinen Namen vom Zikawald in Uganda, wo es 1947 entdeckt wurde. Es gehört zur Gruppe der Flavi-Viren, dem auch andere gefährliche Viren wie Gelbfieber und Dengue angehören. In Deutschland ist es verwandt mit dem Virus, das die Frühsommer-Meningoenzephalitis auslöst, vor allem von Zecken übertragen. „Übertragbar ist das Zika wahrscheinlich durch Blutkontakte und Geschlechtsverkehr“, sagt Professor Rabenau weiter, „aber vieles um das Virus gilt als nicht gesichert.“ Er vergleicht es mit der Forschung zum Aids-Virus, die ebenfalls lange im Dunklen tappte.
Ein Impfstoff gegen Zika ist noch Jahre entfernt. Indiz: Der Pharmariese Merck, der vermutlich als erster Konzern ein Mittel gegen Ebola anbieten wird, hat sich mit Zika noch gar nicht beschäftigt. Die CDC will jetzt herausfinden, wie viele infizierte Frauen in den USA leben. Die Zeit drängt. Nach Hawaii gab es rund ein Dutzend weiterer Fälle in den Bundesstaaten Florida und Illinois. NIH-Präsident Anthony Fauci hat Zika zur Priorität erklärt. „Alle verfügbaren Kräfte müssen gebündelt werden.“
Haben Touristen das Zika-Virus in Brasilien eingeschleppt?
Brasilien rief wegen der starken Zunahme der Krankheit schon im November den gesundheitlichen Notstand aus. Von 3893 bisher festgestellten Fällen an Schädelfehlbildungen, die bei Kindern wegen des zu kleinen Gehirns zu geistiger Behinderung führen, konnte bei sechs eine vorherige Infizierung der Schwangeren mit dem Zika-Virus nachgewiesen werden. Gesundheitsminister Marcelo Castro sicherte für rund 400.000 schwangere Frauen aus ärmeren Schichten zusätzliche Sozialleistungen und Moskitoschutzmittel zu.
Für Touristen gilt: Lange Kleidung und der Gebrauch von Antimückensprays. Das Auswärtige Amt rät Schwangeren „von vermeidbaren Reisen in Zika-Endemiegebiete ab“. Gerade auch mit Blick auf die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro im August soll jede Gefahr vermieden werden. An 56.000 Hotels, Bars und Restaurants wurde ein Maßnahmenkatalog verschickt, um die Aedes-Mücke besser zu bekämpfen, die auch Dengue und Gelbfieber überträgt. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Brasília werden die Ausgaben im laufenden Jahr um 580 Millionen auf 1,87 Milliarden Real (422 Mio. Euro) erhöht, über 550 Tonnen Anti-Moskitomittel und Pestizide sollen eingesetzt werden. Dabei könnten gerade Touristen der Grund für die Epidemie in Südamerika sein: Eine Theorie ist, dass Besucher während der Fußball-WM 2014 das Virus nach Brasilien eingeschleppt haben.