Berlin/Bielefeld. Deutsche Kinder bekommen so viel Taschengeld wie noch nie, verbringen unverändert viel Zeit vor dem Computer und haben in der Familie immer mehr Mitsprache-Rechte. Das geht aus der aktuellen KidsVerbraucherAnalyse hervor. Experten sehen gerade in letzterem Punkt große Chancen in der Erziehung.

Schulkinder in Deutschland bekommen soviel Taschengeld wie nie zuvor. Den 6- bis 13-Jährigen stehen im Monat durchschnittlich 27,56 Euro zur Verfügung - noch etwas mehr als im Vorjahr. Rückläufig ist die Summe bei Vorschulkindern, wie aus der aktuellen KidsVerbraucherAnalyse (KidsVA) hervorgeht. Sie wurde am Dienstag in Berlin vom Ehapa-Verlag vorgestellt. Für die Studie waren 1645 Doppelinterviews mit Kindern und Eltern ausgewertet worden.

Computer- und Internetnutzung verharren demnach bei den Schulkindern auf hohem Niveau. Rund vier von fünf Kindern haben zu Hause Zugang zum Computer, knapp drei von vier nutzen das Internet. Das entspricht 4,6 Millionen und 4,4 Millionen jungen Nutzern in Deutschland.

80 Euro zu Weihnachten und 64 Euro zum Geburtstag

Zusätzlich zum Taschengeld, das 40 Cent höher ist als im Vorjahr, bekommen die 6- bis 13-Jährigen durchschnittlich 80 Euro zu Weihnachten, 64 Euro zum Geburtstag und 25 Euro zu Ostern. Hinzu kommen Geldgeschenke bei Besuchen von Verwandten, bei guten Zeugnissen oder fürs Helfen im Haushalt. Ihr Taschengeld geben die Kinder der Studie zufolge für Süßigkeiten, Zeitschriften, Essen und Getränke aus.

Gut jedes zweite Vorschulkind (55 Prozent) bekommt bereits Taschengeld. Mit durchschnittlich 10,68 Euro ist es allerdings deutlich weniger als im Vorjahr (14,26 Euro). Die zusätzlichen Geldgeschenke zu den Feiertagen sind fast genauso hoch wie bei den älteren Kindern.

Kinder brauchen bei vielen Themen Mitspracherechte

Egal, ob es um Familienausflüge, Essen oder die eigenen Klamotten geht: Kinder bestimmen heute oft mit, was gemacht oder gekauft wird. Und das ist gut so, findet der Erziehungswissenschaftler Prof. Holger Ziegler: "Kinder mitreden zu lassen und gemeinsame Absprachen zu treffen, macht eine gute Erziehung aus." Denn je stärker Mädchen und Jungen das Gefühl haben, dass ihre Meinung gilt und Eltern sie anhören, umso selbstbewusster und selbstständiger werden sie.

Erwachsene sollten ihren Kindern aber nicht nur bei Konsumentscheidungen, sondern auch im Alltag Mitspracherechte einräumen: "Wofür gebe ich mein Taschengeld aus? Was gibt es zu essen? Was darf ich heute anziehen?", erklärt Ziegler, der an der Uni Bielefeld lehrt. Auch wenn es anstrengend sei und Zeit koste: "Das Kind ernst zu nehmen und nach seiner Meinung zu fragen, gehört dazu."

Ausnahme sind Entscheidungen mit langfristigen Folgen

Und wenn der Dreijährige bei Kälte barfuß in den Kindergarten möchte? "Dann macht es natürlich keinen Sinn, dem Kind seinen Willen zu lassen." Denn in diesem Alter könnten Kinder die Folgen ihrer Handlungen noch nicht abschätzen - das gelingt den meisten etwa ab zehn oder elf Jahren.

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Um Kinder in ihrer Autonomie zu unterstützen, gehöre es deshalb dazu, Grenzen zu setzen: "Dabei kommt es aber auf die Begründung an", findet Ziegler. Im konkreten Fall bedeutet das, dem Kind genau zu erklären, warum Schuhe bei Kälte sein müssen. "Regeln dürfen nicht einfach so gelten, nur weil sie von den Eltern kommen." Empfinden Kinder die Ansagen von Mutter und Vater als willkürlich, schüre das Konflikte.

86 Prozent der Kinder bestimmen mit, was die Familie unternimmt

Laut der am Dienstag in Berlin vorgestellten KidsVerbraucherAnalyse (KidsVA) haben Kinder bei vielen Entscheidungen in der Familie volles Stimmrecht. So dürfen 86 Prozent der 6- bis 13-Jährigen mitreden, was die Familie gemeinsam unternimmt. 81 Prozent dieser Altersgruppe dürfen ihr Taschengeld selbstständig ausgeben. Für die Erhebung des Egmont Ehapa Verlags wurden 1645 Doppelinterviews mit jeweils einem Kind im Alter von 6 bis 13 Jahren und einem Erziehungsberechtigten geführt.

Das A und O beim Aufstellen von Regeln sei, dass Eltern sich selbst konsequent daran halten: "Und das klappt am besten, wenn Erwachsene ihre eigenen Gründe kennen", sagt Ziegler. Denn Befehle und Sanktionen ohne Argumente ließen sich im Alltag meist nicht durchhalten. Und wenn Eltern sich einmal streng, dann wieder nachgiebig zeigten, könnten Kinder das nicht nachvollziehen - Konflikte sind dadurch programmiert.

Eltern dürfen Fehler einräumen

Damit Kinder sich ernst genommen fühlen und merken, dass ihr Wort Gewicht hat, dürfen Eltern ruhig auch einmal Fehler einräumen: "Viele haben Angst, dass sie dadurch schwach werden", erklärt Ziegler.

Wenn Sohn oder Tochter aber eine bessere Idee hatten oder sich eine Regel als unsinnig erweist, spreche nichts dagegen, das einzugestehen. "Damit vermitteln Eltern das Gefühl: "Du bist mir wichtig" und "Wir sind auf Augenhöhe"." (dpa)