San José..
Das Wunder von Chile ist perfekt: Begleitet von Jubelrufen und Applaus stieg am Schichtleiter Luis Urzúa als letzter der 33 Bergleute aus der Rettungskapsel, in der die Kumpel nach fast zehn Wochen unter Tage aus der Mine gezogen wurden.
Happy End in Chile: Alle 33 verschütteten Bergleute sind erfolgreich ans Tageslicht geholt worden, als letzter entstieg Schichtleiter Luis Alberto Urzua der schmalen Rettungskapsel. Die Bergungsaktion nach mehr als 69 Tagen Gefangenschaft tief unter der Erde verlief am Mittwoch unerwartet schnell und problemlos. „Willkommen im Leben“, sagte Präsident Sebastian Pinera zu Victor Segvia, der als 15. Kumpel aus der schmalen Rettungskapsel stieg.
Die Bergleute wurden erst im Stundentakt, dann immer schneller einer nach dem anderen mit der „Phönix“ genannten Rettungskapsel aus über 600 Metern Tiefe ans Tageslicht gezogen - zeitweise im Abstand von nur 25 Minuten. Unter Freudentränen und hellem Jubel wurden sie von Angehörigen und Helfern begrüßt. Die gesamte Aktion dauerte 22,5 Stunden und wurde von Menschen in aller Welt gespannt verfolgt.
„Wir haben getan, worauf die gesamte Welt gewartet hat“, sagte Urzua nach seiner Rettung. „Die 70 Tage, die wir so hart gekämpft haben, waren nicht umsonst. Wir hatten Kraft, wir hatten Mut, wir wollten kämpfen, wir wollten für unsere Familien kämpfen, und das war das Größte“, sagte der Vorarbeiter zu Staatschef Pinera. Urzuas Führung soll es zu verdanken sein, dass die Bergleute zweieinhalb Wochen mit Notfallrationen überlebten, die für 48 Stunden gedacht waren.
„Dieses Land ist zu großen Dingen fähig“
Die Arbeiter hatten über zwei Monate lang in mehr als 600 Meter Tiefe ausgeharrt, länger als irgendjemand vor ihnen. Während der ersten 17 Tage war nicht einmal bekannt, dass sie nach dem Unglück vom 5. August noch am Leben waren.
„Hoffentlich wird der Geist dieser Bergleute immer mit uns sein. Dieses Land ist zu großen Dingen fähig“, erklärte Präsident Pinera. „Sie sind nicht mehr dieselben, und dieses Land ist danach nicht mehr dasselbe“, sagte der Staatschef an die Kumpel gerichtet. Neben ihm umarmten auch seine Frau und sein bolivianischer Kollege Evo Morales die Geretteten.
Bergungsaktion live im Fernsehen übertragen
Bei der Rettungsaktion am Mittwoch fieberte nicht nur ganz Chile mit: Weltweit konnten Zuschauer die Rettungsaktion live im Fernsehen verfolgen. Auch die Bundesregierung freute sich mit über das „moderne Wunder“, wie Außenminister Guido Westerwelle sagte.
Die Bergleute wurden während der Fahrt in der Rettungskapsel mit Kameras überwacht und hatten Sauerstoffmasken angelegt. Nach der langen feuchtheißen Dunkelheit trugen sie dunkle Sonnenbrillen gegen das grelle Licht und Pullover gegen die Kälte. Zur Beobachtung kommen sie vorerst ins Krankenhaus.
Als Erster stieg Florencio Avalos aus der 4,50 Meter langen, in den Nationalfarben lackierte Kapsel und umarmte seinen sieben Jahre alten Sohn. Avalos war vor dem Grubenunglück am 5. August der zweite Vorarbeiter nach Urzua. Der einzige Ausländer unter den Verschütteten, der Bolivianer Carlos Mamani, wurde von seiner Frau Veronica und von seinem Präsidenten Morales begrüßt und rief „Danke, Chile!“.
Einige der Männer könnten die Klinik vermutlich schon am (heutigen) Donnerstag verlassen, sagte Gesundheitsminister Jaime Manalich. Einer musste wegen Lungenentzündung behandelt werden, zwei weitere brauchten einen Zahnarzt. Die meisten Männer traten sogar glattrasiert ans Licht der Weltöffentlichkeit: Neben Lebensmitteln und Medikamenten waren ihnen in den letzten Tagen auch Rasierutensilien nach unten geschickt worden.
„Die Kumpel sind unsere Helden“
Die „Phönix“ genannte Rettungskapsel sah mit jeder Fahrt durch Felsgestein verschrammter aus. Sie drehte sich jedoch nicht so stark wie angenommen, so dass die Fahrten beschleunigt werden konnten. Gelegentlich klemmte eine Tür, und mehrere Laufräder mussten ersetzt werden. Die Kapsel funktionierte jedoch genau so wie geplant.
Schätzungen zufolge belaufen sich die Kosten für die Rettungsaktion auf umgerechnet mehr als 15,8 Millionen Euro. Die Regierung hat mehrfach betont, dass Geld bei der Bergung der Männer keine Rolle spielt. Sie sollen mindestens ein halbes Jahr lang betreut werden.
Im ganzen Land waren die Menschen schon mit Beginn der Bergungsaktion vor Freude und Erleichterung aus dem Häuschen. In der Hauptstadt Santiago brach ein ohrenbetäubendes Hupkonzert los. In der Kreisstadt Copiapó, dem Heimatort vieler der Verschütteten, verfolgten rund 3.000 Einwohner die Rettung, die auf einer riesigen Leinwand übertragen wurde. „Die Kumpel sind unsere Helden“, sagte die 45 Jahre alte Maria Guzman unter Tränen.
Der erste von sechs Rettungshelfern, die sich mehr als 600 Meter in die Tiefe zu den verschütteten Bergleuten in Chile begeben hatten, hat nun als letzter wieder ans Tageslicht gefunden. Manuel Gonzalez erreichte am frühen Donnerstag in der Rettungskapsel die Erdoberfläche, wodurch die Bergungsaktion in der Gold- und Kupfermine San José ihr endgültiges Ende fand. (ap/afp)