Anuradhapura..
Anfangs klang die Jobbeschreibung noch verlockend. 176 Bewerber meldeten sich vor zwei Jahren, als Sri Lankas Gefängniswesen die zwei freigewordenen Posten anbot. Arbeitsüberlastung sei nicht zu befürchten, hieß es. Es gebe Beförderungsmöglichkeiten. Es gebe sehr viel Gelegenheit für Aus- und Fortbildung. Bewerber mussten freilich männlich sein.
Denn wenn das erlernte Wissen einmal in der Praxis angewendet werden müsste, könnte es etwas unangenehm werden. Aber das wussten die 176 Kandidaten. Schließlich bewarben sie sich um den Posten des Mannes, der zum Tode Verurteilten die Galgenschlinge um den Hals legt.
Zwei Jahre später steht die Tropeninsel immer noch, besser gesagt schon wieder ohne Henker da. Denn kaum hatte der Auserkorene zum ersten Mal den Galgen zu Gesicht bekommen, versagten ihm die Nerven. Er erschien seit Tagen nicht mehr zum Dienst. Chandrarathna Pallegama, Generaldirektor für Sri Lankas Gefängniswesen: „Er war schockiert und hat Angst bekommen.“ Er will dem 40-jährigen verhinderten Henker aus der Stadt Anuradhapura dennoch eine Galgenfrist von einem Monat gewähren, damit der Mann mit den schwachen Nerven sich besinnen kann.
Dem Chef aller Gefängnisse auf der Insel südlich von Indien fehlt freilich die Zuversicht. Denn die beiden zuvor ausgesuchten Kandidaten büxten ebenfalls aus. Auch ihnen war aufgegangen, dass zum Hinrichten am Strick etwas mehr gehört als Kenntnisse über das Knüpfen von Knoten.
Die zwei Posten des amtlich bestallten Henkers waren frei geworden, nachdem einer der Vorgänger in den Ruhestand versetzt worden und der zweite beruflich vom Henker zum ordentlichen Gefängniswärter aufgestiegen war. Es ist etwas unklar, womit der Mann sich die Beförderung verdiente. Denn er hatte während der offenbar gewissenhaft ausgeführten Dienstzeit keine Gelegenheit, seine Henkerqualitäten unter Beweis zu stellen.
Der letzte Straftäter, der in Sri Lanka am Galgen starb, wurde im Jahr 1976 hingerichtet. Dennoch verurteilen die Gerichte des überwiegend buddhistischen Landes Straftäter regelmäßig zum Tod am Strang. Inzwischen warten 400 Todeskandidaten auf ihren Termin mit dem Henker.