Essen. 500.000 Patienten werden jährlich ans Bett gefesselt, zu viele mit Medikamenten ruhig gestellt: Die Versorgung von Menschen, die an Demenz erkrankt sind, ist an deutschen Krankenhäusern “unzureichend gesichert“, so das Ergebnis einer bundesweiten Studie.

Die Versorgung von demenzkranken Menschen im Krankenhaus gilt deutschlandweit als mangelhaft. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie. 500.000 mal im Jahr würden Menschen ans Bett gefesselt, um Stürze zu verhindern. Experten glauben, dass Kliniken mit Demenzkranken "komplett überfordert" sind.

Bei der bislang größten Befragung zur Versorgung von Patienten mit Demenz im Krankenhaus unter 1800 Stationsleitungen im gesamten Bundesgebiet stellte sich heraus, dass die Versorgung von Demenzkranken „unzureichend gesichert ist“, so Prof. Michael Isfort, Leiter der Studie. Besonders schwierig sei die nächtliche Betreuung. Aber auch tagsüber und an Wochenenden, wenn weniger Personal verfügbar ist, sei die Lage problematisch.

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„Diese Mangelsituation führt nicht selten zu unnötiger Verabreichung von Schlafmedikamenten“, sagte Isfort unserer Redaktion. Und zu Fixierungen: 500.000 Mal im Jahr würden Menschen ans Bett gefesselt, um Stürze zu verhindern.

Pflegenotstand als Tabuthema

Durchschnittlich passiere es pro Abteilung einmal in der Woche, dass ein Patient unbemerkt die Station verlassen und nicht alleine wieder zurückgefunden hat. Man müsse davon ausgehen, so Isfort, „dass eine mangelnde Beobachtung in deutschen Krankenhäusern etwa 5,6 Millionen Mal im Jahr vorkomme“.

Pflegekritiker Claus Fussek, der seit Jahren die Zustände in Pflegeheimen anprangert, spricht von einem neuen Skandal. Die mangelnde Qualität in der Behandlung von Demenzpatienten in Kliniken sei bis jetzt totgeschwiegen worden. „Es ist noch ein Tabuthema. Aber die Kritik ist längst überfällig, weil die Krankenhäuser nicht in der Lage sind, demente Patienten angemessen zu behandeln.“ Schon in der Grundversorgung seien sie „komplett überfordert“. Um einem altersverwirrten Menschen beim Essen zu helfen, müsse jemand mindestens eine halbe Stunde bei ihm bleiben. „Diese Zeit hat heute keiner.“

NRW-Ministerin kritisiert Krankenhäuser

Die Krankenhäuser seien heute „nur noch wirtschaftlich aufgestellt“, sagt Studienleiter Isfort. Seit 1996 seien 36.000 Pflegestellen in Deutschland abgebaut worden, bei gleichzeitiger Arbeitsverdichtung und Zunahme der Patientenzahl.

NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens: „Pflege und die damit verbundene menschliche Zuwendung kommen in vielen Krankenhäusern zu kurz, wenn Trägern das Geld für ausreichend Personal fehlt. Deshalb benötigen wir hierzu bundesweit verbindliche Regelungen für Krankenhäuser.“