Essen. An der Essener Uniklinik wird an einem SARS-CoV-2-Medikament gearbeitet. Die ersten Ergebnisse versprechen Erfolg. Das ist der Forschungsstand.
Ein Team des Essener Uniklinikums hat wohl einen Durchbruch bei der Entwicklung eines Medikaments gegen den Erreger SARS-CoV-2 erzielt. Wie Prof. Dr. Ulf Dittmer, Leiter des Instituts für Virologie, gegenüber dieser Redaktion erklärt, wurden bereits Tests an menschlichen Zellen durchgeführt.
Doch von vorne. Seit über zehn Jahren forscht die Essener Virologie um Prof. Dittmer an Interferonen. Das sind direkte Abwehrstoffe, die Zellen bilden, wenn sich der Körper mit Viren infiziert. Interferonen bewirken, dass sich das Virus schlechter bis gar nicht mehr vermehren kann und umliegende Zellen nicht mehr infiziert werden können. Interferonen gibt es in verschiedenen Klassen, die wiederum unterschiedliche Varianten haben. So hat das Interferon Alpha, das die Forschungsgruppe untersucht, zwölf Subtypen, die sich genetisch ähneln, biologisch aber nicht gleich wirken, sagt Dittmer.
Corona: Essener Forschungsgruppe führt Medikamententests an menschlichen Zellen durch
Nur: Lediglich eines dieser zwölf Subtypen wurde bislang erforscht – mit mäßigem Erfolg. „Die anderen elf Typen sind medizinisch nahezu in Vergessenheit geraten“, sagt Dittmer. Bei einer Auswertung wurde festgestellt, dass vier dieser Subtypen wesentlich wirksamer gegen SARS-CoV-2 sind.
Gemeinsam mit der Wuppertaler Firma Aicuris hat die Essener Forschungsgruppe um Privatdozentin Dr. Kathrin Sutter den Wirkstoff künstlich hergestellt. Das künstliche Protein wirke wie der aktivste Subtyp des Alpha-Interferons, so Dittmer. Um Tierversuche zu minimieren, wurden Tests mit diesem Wirkstoff an menschlichen Zellen durchgeführt.
In Zusammenarbeit mit einer kanadischen Forschungsgruppe folgten im nächsten Schritt dennoch Tierversuche an mit SARS-CoV-2-infizierten Mäusen. Diese haben menschengleiche Lungengewebe. Schon im August sollen die Daten zu den Versuchen vorliegen.
Fallen diese ebenfalls vielversprechend aus, soll die Forschungsgruppe mit Aicuris das Nebenwirkungsprofil optimieren. Anschließend könnte die klinische Phase eins starten: freiwillige Tests an gesunden Probanden auf die Nebenwirkungen. Weitere Test-Phasen müssten folgen, bis ein Medikament an den Markt gehen dürfte.
Wann das sein könnte? „Wir reden sicherlich nicht über den nächsten Herbst oder Winter, sondern eher über den Herbst oder Winter 2022“, so Prof. Dittmer. Zwar gebe es inzwischen Impfstoffe gegen das Coronavirus, viele machten sich Hoffnung auf Normalität im nächsten Jahr, doch das Virus werde nicht verschwinden, was heißt: „Auch in den nächsten Jahren werden Menschen an Covid-19 erkranken“, meint Dittmer.
Coronavirus: Warum Medikamente neben Remdesivir gebraucht werden
Auch interessant
Unklar ist also, wann das Medikament auf den Markt kommen könnte – vorausgesetzt, die Studien liefern weiterhin gute Ergebnisse. Wem das Mittel helfen dürfte, sei aber schon abzusehen, ergänzt der Essener Virologe: Es werde voraussichtlich ein Medikament sein, dass man nach einer Corona-Infektion nicht zu spät geben darf und eines, „das eher für ältere oder immunsupprimierte Personen als für gesunde und junge Personen geeignet ist“.
Da es noch keine hochwirksamen Medikamente gegen die Lungenkrankheit Covid-19 gebe, bestehe Bedarf an solch einem Medikament. Derzeit sind das Mittel Remdesivir und eine Behandlung mit Antikörpern zulässig. „Sie helfen aber nicht in allen Fällen, gerade Remdesivir hilft eingeschränkt. Wir haben das Interferon mit Remdesivir verglichen: Es wirkt besser“, so Dittmer.