Chimbalu/Malawi. .
Die Duisburger Kindernothilfe engagiert sich im afrikanischen Malawi, um Kindern dort Bildungschancen zu vermitteln. Auch Hygiene-Unterricht gehört dazu. Die WAZ unterstützt diese Arbeit mit einer Spendenaktion.
Jenala Chimbaza denkt nicht in Jahreszahlen, Jahreszahlen hat sie nie gelernt; Jenala Chimbaza denkt in Ereignissen: Zum Beispiel war das Jahr, als ihr Enkel gerade sitzen konnte, genau dasselbe Jahr, in dem ihr Sohn und ihre Schwiegertochter an Aids starben.
„Gott hat erlaubt, dass das geschieht, was sollen wir machen?“, sagt die alte Frau. Sie ist es nun, die Marko großzieht, das Enkelkind, und die dafür gesorgt hat, dass der Fünfjährige hier ins „Child Development Center (CDC)“ geht; man kann aber einfach auch Vorschule sagen oder, mit einem hübschen Wort, das sich die Engländern schon länger ausgeliehen haben: „Kindergarten“.
Dieses Land war ja mal Britisch-Njassaland, und so sieht man gelegentlich in Malawis Hauptstadt Lilongwe Schilder mit der Aufschrift „Kindergarten“. 50 Kilometer weiter nördlich und 500 Jahre zurück indes, in Chimbalu mit seinen einfachen Häusern und grasbedachten Holzhütten, ist ein Kindergarten eine Sensation und das Gebäude am Rande der Stadt ein Stein gewordenes Fortschrittsversprechen. Schule soll es machen!
30 Kindergärten sind das Ziel
Ein einfaches Langhaus, ein großer Raum mit kleinen Fensterhöhlen, die Hitze muss draußen bleiben. „November 2010“ steht auf einer Tafel und daneben in Kreide „a, e, i, o, u“; während mit einer Lautstärke, die man sonst nur von Kasernenhöfen kennt, mehrere Dutzend süße schwarze Kleinkinder im Chor „January, February, March . . .“ rufen. Sie pauken Monatsnamen, „April, May, June . . .“
Die Rolle des Vorsprechers und Schleifers wird freilich gerade eingenommen von der sympathischen Aushilfserzieherin Stella Tembo. Sie möchte mit der Arbeit hier „den Kindern helfen und die Region entwickeln“, sagt die 20-Jährige. Spaß macht es aber auch, und ihr Töchterchen Tereza (2) ist ebenfalls hier untergebracht, was an dieser Stelle als Vertrauensbeweis aus erster Hand stehen kann. Daneben hofft die junge Mutter natürlich auf Anstellung.
Dies ist wieder dieses ehrgeizigen Gemeinwesen-Projekt in Malawi, das die „Kindernothilfe“ unterstützt und für das wir Sie, die Leser, um Hilfe bitten. Kurz gesagt, geht es darum, einem ganzen Landstrich in der zurückgebliebenen Provinz Ntchisi auf die Beine zu helfen, Einkommen zu schaffen und Aussichten für die nächste Generation. Was Hänschen nicht lernt. Früh übt sich. Solche Sachen eben.
Ein Baustein ist es daher, 30 Kindergärten neu zu bauen beziehungsweise zu erneuern und auszustatten; die Familien lernen dazu, wie sie die Erträge aus ihren Gärten und kleinen Ackerflächen steigern können. Wenn das so aufgeht, können die Menschen eines Tages die Kindergärtner und die Lehrer selbst bezahlen, das Spielzeug und das Lernzeug, Kreide, Hefte, Bänke, Speisung – und brauchen keine Hilfe aus dem Ausland mehr. Um ein ganz altes Wort abzuwandeln: Man muss Ntchisi in den Sattel helfen. Reiten wird es schon können.
Drinnen geht es also grad um Wissen, „August, September, October . . .“, draußen geht es um Verhalten. Da stehen Zwei-, Drei- und Vierjährige vor einem Wasserkran in der kurvenreichen Kinderversion einer britischen Warteschlange, und der Weg zur Kindergarten-Speisung – heute Maisbrei – führt unweigerlich über das Händewaschen. Verhalten ist das, Benehmen, noch viel mehr: Gesundheit. Ja, Händewaschen ist Gesundheit, erst recht in einem Land, in dem neben Malaria und Aids jede finstere Virus-Infektion zu Hause ist und wo die Menschen im Durchschnitt nicht viel älter werden als 40. Malawis Kinder, sagen die Statistiken, sind erst mit fünf Jahren halbwegs auf der sicheren Seite: dass sie leben werden.
Kinderarbeit verbreitet
Was predigen sie den Eltern! Die Oberhäupter der Dörfer predigen ihnen: Schickt eure Kinder dorthin! Die Helfer der Kindernothilfe-Partnerorganisation „World Relief“ predigen: Schickt! Dort lernen eure Kinder Wörter und Zahlen; dort lernen sie, sich einzuordnen und in Gruppen klarzukommen. Dort lernen sie zu lernen! Es ist der Wert von Bildung. Doch allein in diesem einen, neuen Kindergarten fehlen noch um die 70 Kinder von 200. Die 70 in den Dörfern, sie sind zurückgeworfen auf den Umgang mit gleichaltrigen Unbeschulten. Oder vielleicht müssen sie auch arbeiten, Kinderarbeit ist verbreitet.
Kinder aus dem Kindergarten, sagt später der Dorflehrer, werden es viel leichter haben in der Grundschule. Und: Die Hoffnung liege nahe, dass sie ihre eigene Erweckung ihren Kindern weitergeben.
Wilton Chinganyama war selbst so einer, der keinen Kindergarten kannte, woher auch, und der die Schule sehr jung schmiss. „Heute sehe ich frühere Mitschüler bei der Arbeit und im Büro, und ich beneide sie“, sagt der 27-Jährige. Daraus hat er den Schluss gezogen, den alle liebenden Eltern auf der ganzen Welt ziehen: „Meine Kinder sollen es einmal besser haben als ich.“
Tomas, sein Dreijähriger, fängt gerade erst an in diesem Kindergarten. Lezinati, sein Sechsjähriger, war nur wenige Monate hier, das CDC gibt es ja gerade erst. Nun geht Lezinati zur Schule. Man muss da nichts beschönigen: Er hat es an der Schule nicht leicht. Aber Lezinati kämpft, wo der Vater ganz früh aufgab.