Bodenfelde. .

Die Welt im niedersächsichen Bodenfelde ist nicht mehr die gleiche. Die Bewohner sind geschockt, mit einem solchen Verbrechen hatte niemand gerechnet. Alle machen sich Sorgen um die Kinder.

„Tobias, wir werden dich NIE vergessen“ – so steht es auf einem Zettel, den seine Klasse hier abgelegt hat. Daneben das Foto eines Mädchens, es lächelt. Es sieht aus, als hätte es Spaß gehabt, als die Aufnahme entstand. Es könnte Nina sein.

Am Sonntag wurden die Leichen der beiden Teenager im niedersächsischen Bodenfelde gefunden. Am Montag zeigen die Mitschüler ihre Trauer. Kerzen und Teelichter stehen rund um die beiden Zettel am Eingang der Heinrich-Roth-Gesamtschule. Davor stehen die Fahrzeuge am Nachmittag Schlange. Bis der Täter gefasst ist, will niemand mehr sein Kind allein laufen lassen. Die wurden zusätzlich am Montag von Psychologen betreut.

Die Polizei schützt die Bewohner vor den Kamerateams

„Schrecklich“, „furchtbar“ oder auch „Tragödie“ – diese Worte tauchen immer wieder auf, wenn man mit den Einwohnern von Bodenfelde spricht. Auch an der Mühlenstraße erinnern Kerzen und Blumen an Nina und Tobias. Hier, ganz in der Nähe wurden sie gefunden. Ein schmaler Fußweg führt von der Mühlenstraße hinunter zu einem Waldstück. Zwei Polizisten bewachen den Zugang. Hier darf heut niemand durch. Denn weiter unten arbeiten die Kollegen von der Spurensicherung immer noch auf Hochtouren. Vorne zeigen die Bodenfelder Trauer und Anteilnahme. Immer wieder bringen sie neue Blumen und Kerzen. Ein Bewohner des Hauses, vor dem sich die Andenken sammeln, zeigt sich nur kurz hinter einer Gardine. Die Kamerateams von WDR und NDR vertreiben den Mann schnell wieder. Einer der Polizisten, der den Zugang zum Fundort bewacht klärt die Journalisten auf: „Die Bewohner hier haben nichts damit zu tun. Hier hat definitiv keines der Opfer gewohnt.“

3500 Menschen leben in dem „staatlich anerkannten Ferienort“ im Weserbergland. Auf diese Auszeichnung sind die Bodenfelder durchaus stolz. Eine Tafel direkt hinter dem Ortseingangsschild verkündet es jedem Neuankömmling. Im Sommer lädt die Weserpromenade zum gemütlichen Flanieren ein, und selbst bei schmuddeligem Herbstwetter wirkt der beschauliche Ort durchaus idyllisch. Die alten Fachwerkhäuser haben eben Charme. „Gottes Segen, Schutz und Frieden sei’n dem Hause stets beschieden“, dieser Wunsch aus dem Jahre 1674 prangt auf einem der alten Häuser. Im Moment wünschen sich wohl alle Bodenfelder, dass Gott oder eine andere höhere Macht sie schützt. Denn sie machen sich Sorgen um ihre Kinder.

„Das Schlimme ist, dass sich in Bodenfelde alle kennen“

So geht es auch Götz und Selina Kleinschmidt. Mit ihren beiden Söhnen haben sie sich auf den Weg gemacht, sie haben Kerzen dabei, wollen zum Fundort, oder zumindest bis zur Polizeiabsperrung: „Wir wollen Anteilnahme zeigen, weil wir selbst zwei Kinder haben. Die hätten auch betroffen sein können.“ So genau mag Selina Kleinschmidt dann jedoch nicht darüber nachdenken. Die Eltern machen sich schon so genug Sorgen. Das unbeschwerte Spielen auf der kaum befahrenen Anwohnerstraße? Damit ist es wohl erst einmal vorbei. „Wir passen jetzt auf, dass kein Kind unbeaufsichtigt herumrennt“, sagt Götz Kleinschmidt. Mit den Nachbarn wollen sie sich absprechen, damit auch ja nichts passiert. Dass der Doppelmord für Misstrauen in dem kleinen Ort sorgt, soweit wollen die Kleinschmidts nicht gehen. „Das Schlimme ist, dass sich in Bodenfelde alle kennen. Und wenn es dann jemanden aus unserer Mitte trifft ... „ Götz Kleinschmidt kommt ins Stocken.

Eine andere Mutter erzählt, sie habe die ganze Nacht nicht geschlafen. „Meinen Kindern ging es genauso. Sie waren die ganze Nacht bei mir im Bett.“ Jetzt laufen die Absprachen mit den Nachbarn. Der Fahrdienst zur Schule muss organisiert werden

Im Gerätehaus der freiwilligen Feuerwehr hat sich derweil die Polizei einquartiert. Während vorne die Streifenwagen ankommen und abfahren, säubern einige Feuerwehrleute die Garage hinter dem Haus. Ob sie sich an der Suchaktion beteiligt haben? Was die Polizei in ihrem Haus macht? „Wir wurden verpflichtet, nichts zu sagen“, wehren sie die Nachfragen der Journalisten ab.