Köln. .
Casting-Shows setzen auf Sex - aber wer zu viel zeigt oder zu offensiv ist, hat am Ende keine Chance. „In vielen Casting-Shows ist die klassische Doppel-Moral ein Teil der Inszenierungs-Strategie“, hat Wissenschaftlerin Claudia Töpper analysiert.
Die eine räkelt sich lasziv im sexy Leder-Outfit auf einem Motorrad. Die andere zieht sich für ein Boulevard-Blatt aus und stellt ihre große Oberweite in jeder Show zur Schau – Sex sells bei „Deutschland sucht den Superstar“. Die Quote schießt mit kleinen sexy Skandalen stets nach oben. Doch eine Chance auf den Sieg hatten Annemarie Eilfeld und Steffi Landerer völlig unabhängig von ihrem Gesangstalent nicht. Denn das würde nicht ins Konzept der Show passen: „In vielen Casting-Shows ist die klassische Doppel-Moral ein Teil der Inszenierungs-Strategie“, erklärt Claudia Töpper von der Freien Universität Berlin im Rahmen der Fachkonferenz „Pornografisierung von Gesellschaft?!“ in der FH Köln.
Unscheinbare Gewinner
Mit Prof. Dr. Margreth Lünenborg hat die Wissenschaftlerin im Rahmen eines Forschungsprojektes aktuelle Castingshow- und Reality-Doku-Formate“ analysiert und ausgefeilte, sexualisierte Elemente entlarvt. So wurde Annemarie Eilfeld in der Staffel von 2009 in das Rollenbild der sexy, attraktive Blondine gepresst und von Juror Dieter Bohlen als „Bitch“ beschimpft. „Während Eilfeld dämonisiert wird, stehen die beiden Finalisten Daniel Schumacher und Sarah Kreuz für moralische Integrität und Fairness“, analysiert Claudia Töpper. „Zu dem Erzählstrang der Sendung passt perfekt, dass Annemarie Eilfeld skandalisiert, sanktioniert und für ihre offensive Sexualität von der Jury abgestraft wird.“ Letztlich gewinnen meistens in Casting-Shows die Kandidaten, die von ihrem Auftreten her eher unscheinbar wirken, so die Wissenschaftlerin.
Ähnliche Beispiele der Doppelmoral lassen sich bei Heidi Klums „Germany’s next Topmodel“ finden. Hier wird in einer Show Nacktheit als Mutprobe inszeniert. Bei einem freizügigen Fotoshooting lassen sich die Kandidatinnen nur mit Blütenblättern bedeckt ablichten. Daneben steht Supermodel Heidi Klum gibt Tipps: Wenn man nur so wenig anhat, müsse man dagegen agieren. „Hier wird klar der Unschuld-Lolita-Effekt eingesetzt – man solle zwar sexy gucken, aber nicht zu offensiv erotisch“, beschreibt Claudia Töpper. Noch ein Beispiel: Während Nacktheit für Topmodels in ihrem Job durchaus eine große Rolle spielt, werden Kandidatinnen, die schon einmal Nacktfotos gemacht haben, aus dem Wettbewerb geschmissen. Auch hier entstünden einer sexuell offenen Frau Nachteile.
Sexualität moralisch diskreditiert
In Diskussionsrunden mit Eltern und Jugendlichen habe sich herausgestellt, dass Sexualität und Nacktheit bei Germany’s next Topmodel keineswegs als Provokation empfunden wird. Ganz im Gegenteil: Die Casting-Shows haben durch diese Erzählweise eine eher werteerhaltende Funktion, da Nacktheit und Sexualität teilweise moralisch diskreditiert werden. „Hier ist die Medienkompetenz bei den Jugendlichen gefragt. Sie dürfen nicht einfach denken, dass die Heidi da schon aufpasst – die Zuschauer müssen lernen, diese Erzähl-Strategie zu erkennen.“, erläutert Claudia Töpper. „Aus medienpädagogischer Sicht finde ich diese Doppelmoral in Casting-Shows eher fragwürdig, weil sie von den Zuschauern nicht so leicht durchschaut wird.“, so das Fazit der Berlinerin.