Copiapó/Santiago de Chile. .

Wenige Tage nach ihrer Befreiung können sich die ehemals verschütteten Bergleute und ihre Angehörigen vor Medienanfragen kaum noch retten. Inzwischen werden für Infos immer höhere Summen gezahlt.

Igendwo oben am Hügel, da wo sich Copiapó in die Wüste schiebt, wohnt Luis Urzúa. „Colonia Extranjera“ heißt das Viertel, eine typische Bergarbeiter-Siedlung. Hier landen die Männer, die aus allen Teilen Chiles kommen, um in den Kupfer- und Goldminen gutes Geld zu verdienen.

Auch Urzúa, 54, ist vor vielen Jahren mal in die Stadt in der Atacama-Wüste gekommen. Über 30 Jahre ist er Bergarbeiter. In der Unglücksmine San José hat er als Schichtleiter rund 1200 Euro verdient, für einen Arbeiter in Chile ist das ein stattliches Einkommen. In den kommenden Monaten könnte er diese Summe um ein Vielfaches erhöhen. Die Geschichte vom Boss unter Tage, der die Gruppe der 33 zusammengehalten hat, ist auf dem Markt der Exklusivgeschichten viel Geld wert.

In der „Washington Post“ erzählt sein Kollege Richard Villarroel Godoy über den Versorgungsnotstand unter Tage, als noch keine Hilfe von oben gekommen sei. Der 27-Jährige sagte der Zeitung: „Ich habe zwölf Kilo abgenommen“. Sie hätten Wasser aufgefangen, das von den Wänden gelaufen sei. Es habe schlecht geschmeckt, nach Öl von den Maschinen. „Wir siechten dahin, wir waren so dünn“, so der Kumpel.

Dass Geschichten wie diese für die Medien wertvoll sind, weiß auch Fernando Orrelano, der Cousin von Luis Urzúa. Er steht vor dem Krankenhaus in Copiapó und gibt ein Interview nach dem anderen. Während die Ärzte Urzuá noch eingehend untersuchen, bietet der Cousin bereits einen Besuch bei Urzuás Mutter Nelly an. Außer Cousin Fernando Orrelano sind noch zwei Vettern aufgetaucht. Und ein Freund der Familie. Sie alle könnten gerne aus dem Leben von Luis Urzúa erzählen, sagen sie und lassen fallen, dass ein chilenischer TV-Sender bis zu 4000 Dollar für ein Interview bezahlen will.

Wenige Tage nach dem glücklichen Ausgang der Rettungsaktion in der Atacama-Wüste haben sich die Rollen von Medien und Verwandten umgedreht. Nun befragen die Reporter nicht mehr verschüchterte Väter, Frauen und Kinder, sondern Angehörige schüchtern die Presseleute mit hohen Summen ein, die sie für Interviews verlangen.

Zum Beispiel Mónica Araya, Frau von Florencio Ávalos, der als erster der eingeschlossenen Kumpel aus der Mine geborgen wurde. „Ich kann meine Zeit nicht mit Ihnen verlieren, wenn Sie nichts zahlen wollen“, sagt die Frau einem Journalisten.

215 Euro teurer Eintritt

Nicht viel anders machte es Ariel Ticona. Er wollte Journalisten zu seiner Willkommens-Party zulassen. Das höchste Gebot für den Eintritt zu seiner Feier waren 215 Euro. „Da finde ich noch ein besseres Angebot“, sagt er.

Es gibt in diesen Tagen nach der Befreiung niemanden, an dem die Medien nicht interessiert wären. Besonders hoch im Kurs steht Victor Segovia. Er hatte den Spitznamen „Der Schriftsteller“. Er hielt die Absurditäten über die 69 Tage im Dunkel des Berges in einem Tagebuch fest. „Das Schreiben hat mir das Leben gerettet“, sagt Segovia. Er hat noch keine Ahnung, was er mit dem Buch machen will. Eine deutsche Zeitung habe ihm 50 000 Dollar für die Rechte angeboten“, sagte er der Zeitung „La Tercera“, „Ich habe aber den Namen des Blattes vergessen“.

Unterdessen melden sich weitere der geretteten Bergleute mit Erzählungen über die Zeit in ihrem unterirdischen Gefängnis zu Wort. So sagte der 50-jährige Yonni Barrios nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus: „Es gab da unter Tage keine Anführer. Wir waren eine demokratische Gruppe und haben abgestimmt.“ Barrios spielte in der Gruppe wegen seiner medizinischen Grundkenntnisse eine wichtige Rolle. Er verteilte in Absprache mit Ärzten Medikamente an die anderen Verschütteten und impfte sie gegen Tetanus und Diphtherie.

Inzwischen ist der erste der 33 Bergarbeiter zum Unglücksort zurückgekehrt. José Henriquez (55) ließ sich am Wochenende das „Camp der Hoffnung“ zeigen, in dem die Angehörigen ausgeharrt hatten.