Mannheim. .

Im Kachelmann-Prozess geht der Streit um die Gutachter weiter. Anwalt Reinhard Birkenstock wirft den Richtern Befangenheit vor.

Viermal wird sie an diesem Tag den Gerichtssaal betreten, jedes Mal den Kopf selbstbewusst erhoben und mit festem Schritt. Und doch wird sie am Ende nicht dazu kommen, ihre Sicht der Dinge zu erzählen. Nicht einmal unter Ausschluss der Öffentlichkeit wird Simone D. etwas zu ihrem Vorwurf sagen können, Jörg Kachelmann habe sie vergewaltigt. Denn dessen Verteidiger Reinhard Birkenstock stellt zum zweiten Mal in diesem Prozess einen Befangenheitsantrag gegen das Gericht: „Sie haben sich offenbar entschieden, ihr zu glauben!“

Auftritte kosten
Simone D. Kraft

Bis dahin hat Simone D.* schon viel gewartet, in diesem Prozess vor dem Landgericht Mannheim, in dem sich der Wettermoderator Jörg Kachelmann wegen Vergewaltigung verantworten muss. Zuerst harrt sie im Zeugenraum aus, dann am Tisch vis-a-vis des Richters. Permanent im Visier einer Kamera, die ihr Gesicht großflächig auf eine Leinwand projeziert, damit es für alle im Saal sichtbar ist. Und so kann man beobachten, wie jeder dieser Auftritte sie mehr Kraft zu kosten scheint, wie sie manches verlegen wegzulächeln versucht und einmal gar geringschätzig. Nämlich da, als Richter Seidling sie fragt, ob sie mit dem Angeklagten verwandt oder verschwägert sei. „Nein!“ Oder vielleicht verlobt? „Nein!“ wiederholt sie und das ihren Mund umspielende Lächeln könnte spöttischer nicht sein.

Schwarzer Jeansrock, schwarze Strickjacke, darunter ein pinkfarbenes Shirt, so tritt sie auf. Die tiefen Ränder unter ihren Augen verraten, dass es ihr nicht so gut geht wie sie den Eindruck erwecken will. Sie nennt ihren Namen, ihr Alter, 37 Jahre, und ihren Beruf: „Ich bin Radiomoderatorin.“ Kachelmann, den der Prozess sichtlich mitnimmt, der noch magerer, noch blasser erscheint als an den ersten Verhandlungstagen, beobachtet sie. Sein Blick pendelt wie regungslos zwischen dem Videobild und dem Original, das nur geschätzte sieben Meter von ihm entfernt sitzt.

Begonnen hatte der Tag mit einer Niederlage für Kachelmanns Verteidiger. Die nämlich hatten sich um die Wiederzulassung des vom Gericht in der vergangenen Woche abgelehnten Gutachters, des Rechtsmediziners Brinkmann, bemüht. Doch Richter Michael Seidling lehnt dies erneut ab. Brinkmann hatte in seinem Gutachten Fotos von Hämatomen an Simone D.s Oberschenkeln beurteilt. Diese Aufnahmen hatte sie über ein Jahr vor der mutmaßlichen Vergewaltigung in ihren Computer eingestellt, und Brinkmann beurteilte sie als Ergebnis eines Experiments. Simone D. habe sie sich selbst beigebracht. Andere Varianten, etwa einen Unfall oder Spuren der von Kachelmann und ihr bevorzugten sadomasochistischen Sexpraktiken, hatte er ausgeschlossen. Eigentlich hätte nun die Befragung Simone D.s beginnen, hätte wie so oft schon zuvor die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden sollen. Wegen der vielen intimen Details. Doch da ist Reinhard Birkenstocks Antrag vor. Die Zeugin möge nach Paragraf 55 des Strafgesetzbuches auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht aufmerksam gemacht werden, darauf, dass sie nicht aussagen muss, wenn sie sich selbst belasten sollte. Als das Gericht diesen Antrag ablehnt, bittet Birkenstock um Zeit, sich mit seinem Mandanten zu beraten.

Revision ist begründbar

Später wird er noch deutlicher. Solch ein abgelehnter Antrag sei geeignet, eine Revision zu begründen. Sein Mandant habe die „Besorgnis, Sie stünden ihm nicht mit der richterlichen Distanz und Unparteilichkeit gegenüber“. Simone D. habe bei den Ermittlungen gegen sie Lügen einräumen müssen. Lügen, die später, in der Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe zur Freilassung Kachelmanns aus der Untersuchungshaft, als „Scharnierstelle“ bezeichnet worden seien. Wenn das Mannheimer Gericht nun auf ihre Belehrung verzichte, sei dies ein Hinweis auf Befangenheit, eben darauf, dass man ihr glaube.

*Name geändert