In London findet jetzt die erste Modenschau mit Kreationen vom Hindukusch statt. Gefertigt hat sie Zolaykha Sherzad, Afghanistans einzige Modedesignerin.
Mailand, Paris, die britische Hauptstadt und Berlin – sie alle gelten als Mode-Metropolen, die ihren Ruf mit trendigen Labels und einer Fashion Week verteidigen. Zu dieser übercoolen Großstadt-Clique gesellt sich jetzt ein Außenseiter.
Fashion aus Afghanistan? „Das hätte ich auch nie für möglich gehalten“, sagt die 42-jährige Zolaykha Sherzad, die mit ihrer ersten Schau gleich eine Botschaft verknüpft: „Ich will zeigen, dass es in Afghanistan nicht nur Krieg und Burkas gibt, sondern auch Farben, Handwerk und Kultur.“ Die Couture aus Kabul entsteht in einem kleinen Atelier, in dem Näherinnen ihrer über Jahrzehnte gedämpften Kreativität freien Lauf lassen können. Sie schaffen Einzelstücke – unter widrigsten Bedingungen.
Der Prinz ist begeistert
Prinz Charles unterstützt die 42-jährige Zolaykha Sherzad bei ihrer ersten Schau in London; die exklusive Textilhändlerin agnès b. nimmt die Kleidung sogar im Nobelviertel Marylebone ins Sortiment.
Sherzad ist als Zehnjährige in die Schweiz geflohen, hat dann in den USA studiert und in New York ein Architektenbüro eröffnet. Nach dem Sturz der Taliban zieht es sie jedoch immer wieder zurück nach Kabul. „Ich plante dort Kliniken, Häuser und Schulen“, erinnert sie sich, „und eines Tages zeigte mir ein Lehrerin, wie sie nebenbei schneiderte.“ Sherzad, die zwischen New York und Kabul pendelt, ist augenblicklich klar, „dass man das Design nur ein bisschen ändern müsste, um es auch für den Westen attraktiv zu machen.“ Sie beginnt, antike Tücher zurechtzuschneidern, eigene Stoffe zu weben – und zwar mit jenen Streifenmustern, die charakteristisch sind für die Stämme Afghanistans. 2004 gründet sie „Zarif Design“ und avanciert schnell zum internationalen Geheimtipp. Selbst Afghanistans Präsident Hamid Karzai gehört mittlerweile zu ihren Kunden.
90 Prozent ihrer Sachen verkauft Sherzad ins Ausland, wobei die globale Nachfrage ihre Kapazitäten bei weitem übersteigt. 52 Mitarbeiter beschäftigt sie, doch mehr als 60 Stücke können die Frauen im Monat nicht herstellen.
„Ein konstanter Produktionsfluss ist eigentlich unmöglich“, erklärt sie. Strom und Bankkonten funktionieren nicht immer; exportieren kann sie nur via Dubai oder Pakistan. Sherzad ist schon froh, dass die Ehemänner den Näherinnen überhaupt erlauben, außer Haus zu arbeiten und Geld zu verdienen.
Sherzad setzt Stickereien der Nomaden und glänzende Seide ein. Konservatives erhält einen radikalen, vielleicht riskant-modernen Dreh: „Man kann zu der Burka stehen, wie man will“, sagt sie, „aber der glockenhafte Schwung hat mir immer gefallen.“ Das Ergebnis kann sich sehen lassen – auf den modegesättigten Einkaufsmeilen des Westens, aber nicht nur da.