Stuttgart. .
Am Freitag startet in Baden-Württemberg ein sehr spezieller Modellversuch: Mit der Einführung der elektronischen Fußfessel kann das Wohnzimmer ab sofort zum Gefängnis werden- vorerst jedoch nur für ausgesuchte Häftlinge.
In den eigenen vier Wänden leben, aber dennoch gefangen sein: Am 1. Oktober startet in Baden-Württemberg der lang angekündigte Modellversuch mit der elektronischen Fußfessel. Das Land will herausfinden, ob sich die am Fußgelenk angebrachten Minisender dazu eignen, Gefangene im Hausarrest zu überwachen. Denn dann ließen sich damit Kosten beim Strafvollzug sparen, lautet das Hauptargument.
Nils Meppen, Sprecher des Stuttgarter Justizministeriums, betont, sowohl bei den Probanden als auch bei möglichen späteren Häftlingen handle es sich um ausgewählte Straftäter, die eher wegen geringer Vergehen ins Gefängnis müssten. „Es ist viel teurer, wenn sie ihre Strafe im Gefängnis absitzen. Der Hausarrest ist billiger und wir erreichen dennoch den Bestrafungseffekt“, zeigt sich Meppen überzeugt.
Bei Ungehorsam: Warnsignal
Der etwa 150.000 Euro teure Modellversuch sieht folgendermaßen aus: Der Häftling wird aus dem Gefängnis ausgelagert. In seiner Wohnung wird er elektronisch von einer Privatfirma kontrolliert. Er kann tagsüber an seinem Computer sitzen oder vor dem Fernseher. Er liegt nachts in seinem eigenen Bett und nicht auf der Pritsche einer staatlichen Vollzugsanstalt.
Am Fußgelenk trägt er eine elektronische Fessel mit einem Minisender. Mit dessen Hilfe lässt sich überwachen, ob sich der Häftling an die Anweisungen hält. Er darf seine Wohnung nicht oder nur in vorher abgesprochenen Zeiten verlassen, zum Beispiel, wenn er arbeiten geht.
Weil die batteriebetriebenen Sender der Fußfesseln bei unerlaubten Bewegungen oder beim Versuch der Zerstörung ein Signal aussenden, ist das Instrument nach Ansicht der Herstellerfirma Total Walther die ideale Überwachungsmethode. Das Bewegungsbild, das sich mit der Fußfessel erstellen lasse, könne sicherstellen, dass der Gefangene bestimmte Zonen nicht betritt, ohne dass die Sicherheitsbehörden davon erfahren.
75 Probanden aus vier Städten
Die 75 Testpersonen aus den Justizvollzugsanstalten Heimsheim, Stuttgart, Ulm und Rottenburg werden über das gesamte Jahr hinweg getestet, wobei diese Personen „sehr sorgfältig ausgewählt“ worden seien, wie Meppen betont. Schließlich wolle man ja nicht, dass vom Hausarrest eine Gefahr ausgeht.
Kritiker sorgen sich, dass bei den Gefangenen der Frust wächst, möglicherweise auch der Alkoholkonsum, was wiederum Gewalttätigkeiten gegen Familienmitglieder wahrscheinlich mache. Der Verurteilte entgehe daheim der Gewalt, die es hinter Gittern gibt, könnte aber womöglich selbst zur häuslichen Gefahrenquelle werden.
„Mit der Fußfessel sollen ja keine Gewalt- oder Sexualstraftäter überwacht werden, sondern beispielsweise Verurteilte, die eine Geldstrafe nicht zahlen können“, argumentiert Meppen. Indes gehe es bei dem technisch überwachten Hausarrest nicht nur um Kosteneinsparung. Eine „Haftvermeidung“ könne beispielsweise auch dazu beitragen, dass der Gefangene weiterhin seiner Arbeit nachgehen kann und gesellschaftlich nicht völlig an den Rand gedrängt wird. Ein anderes Beispiel wären etwa Mütter, die ins Gefängnis müssten, obwohl die Folgen für die Kinder eher problematisch seien.
Im Justizministerium erachtet man daneben noch zwei weitere Fallgruppen von Gefangenen als besonders gut geeignet für den elektronisch überwachten Hausarrest: Zum einen die Freigänger, die schon während sie noch in Haft sind, einer Arbeit außerhalb der Gefängnismauern nachgehen. Und auch Häftlinge, die den größten Teil ihrer Strafe bereits abgesessen haben und mit Hilfe regelmäßiger Ausflüge wieder die Freiheit kennenlernen sollen. „Mit Blick auf die Resozialisierung könnte sich die Fußfessel auch als vorteilhaft erweisen“, betont Meppen.
Fußfessel soll drastisch billiger sein als Zelle
Wissenschaftlich begleitet wird der nun anlaufende Modellversuch vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg. Den technischen Teil übernimmt die Kölner Firma Total Walther. Das Unternehmen, das sich auf Sicherheitstechnik spezialisiert hat, arbeitet auch mit dem israelischen Hersteller „Elmotech“ zusammen, der als Weltmarktführer auf diesem Gebiet gilt.
Peter Hoerandl von Total Walther betont, es gebe noch weitere Einsatzmöglichkeiten der Technik, die in anderen Ländern wie USA, Niederlande, Österreich oder Schweiz seit Jahren genutzt wird. So könnten beispielsweise Stalker mit den Minisendern überwacht werden, aber auch verschollene Wanderer, Forscher oder Soldaten wiedergefunden werden.
Hoerandl geht außerdem davon aus, dass sich langfristig auch andere Bundesländer auf den Strafvollzug per Fußfessel einlassen. „Immerhin hat die Technik den großen Vorteil, dass sich durch ihren Einsatz Steuergeld sparen lässt“, sagt er. Seiner Ansicht nach kostet der Strafvollzug mit Fußfessel gerade einmal ein Fünftel dessen, was der Staat für den Gefängnisaufenthalt hinblättern muss. Ob und wie sich die Wohnung als Arrestzelle eignet, das wird man in den kommenden Monaten herausfinden. (dapd)