Berlin..
Krebsforscher und Politiker von Grünen und SPD machen sich für ein Komplett-Verbot für Tabakwaren stark. Es soll auch keine Großplakate, Reklame an Verkaufsstellen oder Werbespots im Kino mehr geben.
Krebsforscher sowie Gesundheitspolitiker von Grünen und SPD haben ein umfassendes Tabakwerbeverbot gefordert. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Lothar Binding, der suchtpolitische Sprecher der Grünen, Harald Terpe, und die Suchtexpertin Martina-Pötschke-Langer vom Deutschen Krebsforschungszentrum (dkfz) verlangten am Montag in Gesprächen mit der Nachrichtenagentur dapd, die zurzeit noch erlaubten Großplakate für Zigaretten ebenso zu verbieten wie Reklame an Verkaufsstellen. Auch die im Kino zurzeit nach 18 Uhr noch zulässigen Werbespots dürfe es nicht mehr geben.
Zwei Tage vor Beginn des Deutschen Suchtkongresses in Tübingen zeichnet sich dadurch eine neue Debatte über den Umgang der Politik mit Tabakwerbung ab. Recherchen der dapd hatten zuvor ergeben, dass Deutschland mit der Duldung von Tabakwerbung wissentlich gegen ein internationales Abkommen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Eindämmung des Rauchens verstößt. Die Frist zur Umsetzung des im „Rahmenübereinkommen der WHO zur Eindämmung des Tabakkonsums“ festgeschriebenen „umfassenden“ Werbeverbotes lief im März dieses Jahres ab.
Deutschland hat Sonderrolle
Pötschke-Langer kritisierte, Deutschland in Puncto Umsetzung des Abkommens mittlerweile europäisches Schlusslicht. Alle EU-Länder hätten Zigarettenwerbung auf Großplakaten mittlerweile verboten, nur die Bundesrepublik nicht. „Das ist gesundheitspolitisch fatal, denn wir wissen, dass gerade Jugendliche sehr leicht durch Werbung zu beeinflussen sind“, sagte Pötschke-Langer.
„Die Werbung gehört abgeschafft“, erklärte auch der Grünen-Abgeordnete Terpe. Er monierte, dass die Regierung zu ihrem Verstoß gegen das WHO-Abkommen bisher keine Stellung bezogen habe. Die Antwort auf eine entsprechende Anfrage im Bundestag sei „völlig unzureichend“. Der SPD-Parlamentarier Binding bezeichnete es als „absolut notwendig, alle Formen der Tabakwerbung und auch der Produktplatzierung zu verbieten“.
Werbeverbot „völkerrechtlich verbindlich“
Die Bundesregierung hatte das WHO-Abkommen, in dem das Werbeverbot fixiert ist, im Jahr 2003 unterzeichnet, der Bundestag ratifizierte es 2004. Die Regierung bezeichnete die Übereinkunft trotz der nicht erfolgten Umsetzung noch Anfang dieses Jahres als „völkerrechtlich verbindlich“. Auch verfassungsrechtliche Hindernisse, die einem Verbot entgegen stehen würden, gebe es nicht, heißt es in der Antwort auf eine Kleine Anfrage im Bundestag.
Die nicht erfolgte Umsetzung des Werbeverbotes wird nach Ansicht von Experten auch Gesprächsthema beim Deutschen Suchtkongress sein, der vom 22. bis 25. September am Tübinger Universitätsklinikum stattfindet. Er wird unter anderem von der Deutschen Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie sowie der Deutschen Gesellschaft für Suchtpsychologie organisiert und gilt als die größte wissenschaftliche Veranstaltung zu Themen der Suchtforschung. (dapd)