Frankfurt/Oder. .

Brandenburg erinnert sich noch gut an die Jahrhundertflut. 1997 stand das Land an der Oder unter Wasser. Jetzt droht erneut Ungemach. Die Pegel steigen bedrohlich.

Auf der Frankfurter Oderpromenade ist es trocken. Der Grenzfluss führt am Dienstag reichlich Wasser, bis zum oberen Rand der nach der Jahrhundertflut von 1997 erneuerten Kaimauern ist bei einem Pegel von gut 3,30 Meter aber noch viel Platz. Die unterste Hochwasser-Alarmstufe 1 wird in Frankfurt am Main erst bei 4,20 Meter ausgerufen. Das wird in den nächsten Tagen geschehen, denn die Wasserstände im polnischen Oberlauf der Oder sind in den vergangenen Stunden dramatisch gestiegen. Die Hochwasserwelle soll laut Prognosen voraussichtlich am Pfingstwochenende Deutschland erreichen.

Der südlichste polnische Oder-Pegel nahe der tschechischen Grenze in Miedonia schnellte nach Daten des Brandenburger Landesumweltamts seit Sonntag um fast 3,70 Meter in die Höhe. Der Wasserstand erreichte dort am Dienstag 8,83 Meter, das sind nur noch rund 1,60 Meter unter dem 97er Höchstwasserstand von 10,45 Meter. Ursache für den sprunghaften Anstieg sind starke Niederschläge im Einzugsgebiet von Weichsel und Oder.

Land unter im Süden Polens

Von Sonntag bis zum Dienstagmorgen fielen in der Region laut Deutschem Wetterdienst flächendeckend mehr als zehn Zentimeter Regen. Im südpolnischen Bielsko-Biala wurden sogar 286 Liter pro Quadratmeter gemessen, das sind mehr als drei Badewannen voll. In Südpolen wurden mehrere Orte überschwemmt, laut polnischen Medien starben mindestens vier Menschen in den Fluten.

Verantwortlich für die starken Niederschläge ist nach Angaben des Brandenburger Landesumweltamtes eine ähnliche Tiefdruck-Wetterlage, wie sie bereits zu den Hochwassern von 1997 an der Oder sowie 2002 an der Elbe führte. Schon werden in der deutschen Oderregion die Erinnerungen an den Juli 1997 wach, als die zwischen Frankfurt und Eisenhüttenstadt gelegene Ziltendorfer Niederung nach mehreren Deichbrüchen samt drei Orten meterhoch überschwemmt wurde.

Böse Erinnerungen werden wach

Weiter nördlich im Oderbruch stapelten Tausende Bundeswehrsoldaten auf durchweichten und teils abgerutschten Deichen Millionen Sandsäcke und verhinderten damit eine Überflutung der flachen Region. Im Gegensatz zur polnischen und tschechischen Seite waren in Deutschland keine Toten zu beklagen. Doch die Flutschäden waren enorm, sie beliefen sich im deutschen Oderland auf 647 Millionen Mark (rund 330 Millionen Euro).

Noch kann niemand exakt voraussagen, wie hoch die Wasserstände an der deutschen Oder diesmal ausfallen werden. Brandenburgs Umweltministerin Anita Tack (Linke) erwartet „wahrscheinlich keine so kritische Situation wie 1997“. Derzeit seien Pegelanstiege bis in den Bereich der - zweithöchsten - Alarmstufe 3 zu erwarten. Tack verweist darauf, dass die polnischen Experten ihre Prognosen für den Pegel Miedonia von einem Höchststand von rund 9,50 Meter um einen halben Meter nach unten korrigiert hätten.

Brandenburgs Deiche weitgehend saniert

Sicherer sei die Lage heute auch deshalb, weil in Polen Rückhaltebecken entstanden und die Brandenburger Deiche seit 1997 weitgehend saniert worden seien, sagt Tack. Das Landesumweltamt empfiehlt dennoch, die Ländereien vor den Deichen zu räumen. Zudem müssten möglicherweise Flutungspolder an der Oder geöffnet werden.

In der Region um Ratzdorf, wo die Oder Deutschland erreicht, bereitet man sich auf die Flut vor. „Wenn die Hochwasser-Alarmstufe 3 ausgelöst werden sollte, wird hier ein Kontrollsystem durch Deichläufer aktiviert“, sagt der zuständige Neuzeller Amtsdirektor Hans-Georg Köhler (parteilos). Ein Hochwasser der Stufe 3 werde beherrschbar sein. Er fühle sich sicherer als 1997, weil Teile der Deiche inzwischen saniert seien. Insbesondere die Deichlücke in Ratzdorf, wo man bei einer Flut mit Sandsäcken arbeiten müsste, sei geschlossen worden. (ddp)