Düsseldorf. .

Christine Theiss kann Menschen helfen - oder ihnen professionell weh tun. Sie ist Ärztin und Kickboxerin. Und Theiss setzt sich dafür ein, dass ihr Sport ein besseres Image bekommt.

Mit „solchen Pappnasen wie Jean-Claude van Damme“ möchte Dr. Christine Theiss absolut nicht in einen Topf geworfen werden. „So was guck’ ich nicht“, sagt die Kickbox-Weltmeisterin. „Kein Wunder“, dass der Sport so ein schmuddeliges Image hat. Man muss der schlagfertigen Münchnerin zugestehen, dass sie viel tut, um den Sport aus dieser Ecke zu holen. Aber ihre erste größere TV-Rolle ablehnen mochte sie dann auch nicht. Und so kickboxte die Ärztin sich zu Ostern als RTL-Nebenbösewicht durch „Die Suche nach der heiligen Lanze“. Das Prinzip van Damme für mittlere Lohngruppen.

Medienpräsenz gehört eben zum Job, denn ohne Medien keine Sponsoren, und ohne Sponsoren kein Profi-Sport. So ein Kickbox-Weltmeisterkampf bringt ja nicht viel an Gage. Keine 2000 Euro, sagt Theiss. Ein halbes Jahr vor ihrem Staatsexamen in Medizin ist die damalige Amateur-Weltmeisterin ins Profi-Lager gewechselt. 2007 war das, und seitdem ist sie ungeschlagen.

Mit High Heels im Ring

Längst ist Theiss die Galionsfigur ihres Sports. Das vermeintliche Spannungsverhältnis zwischen Kampfsport, akademischem Grad und fotogener Figur reizt die Medien: Die Blondine posiert mit High Heels im Ring, Theiss auf dem Maxim-Titel, „Dr. Kick“ in den Überschriften, Auftritte bei Jauch, Kerner, Raab – nur schlagen wollte letzterer sich noch nicht mit ihr. Das fehlt ihr noch, um die öffentliche Wirkung einer Regina Halmich zu erzielen.

Mit sieben Jahren ist die heute 30-Jährige zum Kickboxen gekommen, weil sich eine Klassenkameradin nicht allein in die Sportschule getraut hat. „Der Trainer war nett, die Truppe lustig.“ Also ist Theiss beim Kickboxen geblieben. Ein ganz normaler Sport, findet sie: „Bei uns im Kampfsportzentrum Steko trainieren viele Studenten, Rechtsanwälte, Mediziner.“

Sie selbst rückt den Sport in die Mitte der Gesellschaft. Den Einlauf der Gladiatorin zu ihrem WM-Kampf im März gegen Caterina Curro verfolgten 2500 Zuschauer. „Ich fühle mich vor dem Kampf wie ein Schlittenhund“, sagt sie. „Ich ahne die Anstrengung, aber ich freue mich auf das Rennen. Dann beginnt mein Lied.“ Sie weiß, es ist extra für sie geschrieben: „The final fight“, heißt es. „Jetzt jubeln sie dir zu. Aber ich bin in Gedanken beim Kampf. Man kann keine Gesichter und Stimmen auflösen, aber es trägt einen ... Aufputschen muss man mich nicht, bremsen auch nicht. Ich versuche, Emotionen rauszuhalten.“

Diese Effizienz äußert sich in ihrer Körpersprache als selbstgewisse Lockerheit. Christine Theiss weiß, was sie kann; der Begriff der Leistung zieht sich durch ihre Vita. Training, zwei Mal am Tag: Viele Kilometer laufen, Krafttraining, Sandsack, Zirkel ... „Das ist extrem abwechslungsreich – und man kann sich pervers auspowern.“ Der Leistungssport helfe auch beim Studium, sagt sie

Das Thema ihrer Doktorarbeit: Stammzellentherapie bei Herzinfarktpatienten. Der Arztberuf bot sich an, obwohl Theiss sich zunächst sträubte. „Ich komme aus einer Ärztedynastie. Es gibt nur einen einzigen Nichtmediziner in der Familie.“

Auch ihr Mann Hans ist Arzt, und der einzige andere Boxer in der Familie ist der Hund. Genauer: die Boxerin Tiffany, die Theiss zur Rettungshündin ausbildet. Als innere Allgemeinmedizinerin konnte sie auch gleich nach dem WM-Kampf den Kapselriss in ihrer Hand diagnostizieren. Aber Verletzungen seien selten, sagt sie. „Die Kampfsportarten bewegen sich im unteren Drittel, Fußball ist viel gefährlicher.“ Das Schlimmste war mal ein Nasenbeinbruch. Wenn sich Christine Theiss ernsthaft verletzt, dann weil ihr ein Koffer vom Schrank auf die Nase fällt oder weil sie sich beim Altpapier-Wegbringen eine Zerrung zuzieht.

Auch diese scherzende Abgeklärtheit gehört zu ihrer Effizienz. Vor zwei Jahren sagte sie noch in einem Interview: „Eine Niederlage beim Kickboxen ist mit nichts in einem anderen Sport vergleichbar. Wenn man am Boden liegt und hochschaut, ist das nicht nur ein physisches, sondern auch ein psychisches Desaster.“ Solche Geständnisse potenzieller Selbstzweifel sind ihr heute nicht mehr zu entlocken. Verlieren kommt nicht vor. „Außer beim Scrabble.“ Dass als Arroganz auszulegen, wäre falsch. Sie hat einfach gelernt, dass es nichts bringt, übers Verlieren überhaupt nachzudenken.

Aber warum klappt das bei ihr, warum hat ausgerechnet sie die elf Kämpfe um die Weltmeisterschaft gewonnen? „Weil ich nicht aufgebe. Selbst wenn ich hinten liegen würde – dann beiß ich mich durch. Ich weiß einfach, dass die Luft locker für 20 Runden reicht.“