Washington. .

Nach dem Motto „Ich bin fett - na und?“ wehren sich zunehmend mehr Übergewichtige gegen Schlankheitswahn und Dicken-Diskriminierung in den USA. Ihre Bewegung „Fat Pride“ hat mittlerweile 11.000 Mitstreiter.

Marilyn Wann war damals, in den wilden 60er Jahren, noch zu jung, als ihre fülligen Vorkämpfer in Parks Eiskrem gleich eimerweise löffelten und Poster der mageren Model-Ikone Twiggy verbrannten. An Selbstbewusstsein indes steht die 43-Jährige den korpulenten Demonstranten der „Fat-Ins“ von damals in keiner Weise nach. „Ich bin fett – na und?“

Marilyn, die eine ausgeprägte Vorliebe für knallige pinkfarbene Klamotten pflegt, bekennt sich stolz zu ihren üppigen Kilos. Die schwer übergewichtige Dame gehört längst zu den Wortführern einer Bewegung, die sich im Land des Jugend- und Schlankheitswahns längst kräftig Gehör verschafft. Fett und trotzdem gesund – für die Anhänger der „Fat Pride“-Bewegung ist das kein Widerspruch. „Wir sind fett, wir sind glücklich, und wir sind fit“, lautet die These der Dicken-Bewegung, die zunehmend begeisterte Anhänger findet.

Fettleibigkeits-Epidemie

Für den kommenden August hat Wanns Bewegung zum Jahreskongress nach San Francisco, US-Staat Kalifornien, geladen – ein Tagungsort mit Symbolwert. Nur dort und in fünf weiteren US-Städten ist die Diskriminierung übergewichtiger Menschen bei der Jobsuche oder bei der Entlohnung verboten.

Im Rest des Landes wird es dagegen zunehmend eher ungemütlich für Amerikas Dicke. Zwei Drittel der US-Bürger gelten mittlerweile als zu fett. Die US-Gesundheitsbehörde spricht längst von einer Fettleibigkeits-Epidemie. Weit mehr als für die Krebsforschung geben die USA inzwischen für den Kampf gegen das grassierende Übergewicht aus. In den letzten zehn Jahren haben sich die Ausgaben für krankheitsbedingte Folgen des Übergewichts glatt verdoppelt.

Allen voran hat Präsidentengattin Michelle Obama den wuchernden Pfunden, zumal unter Jugendlichen, den Krieg erklärt. Sasha und Malia, die beiden Töchter, hat Mutter Michelle unlängst erst auf Diät gesetzt, seit der Hausarzt befand, dass die Balance von Größe und Gewicht bei den Kindern zu kippen drohte. New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg schreibt Restaurantküchen inzwischen sogar Margarine statt Butter vor. Andere US-Politiker fordern überdies, die Softdrink-Zuckerbomben mit Sondersteuern zu belegen.

Bürger zweiter Klasse

In vielen Schulbehörden wird darüber diskutiert, den Schülern in den Kantinen mittags nicht mehr Pizzen und Hamburger, sondern gesündere und kalorienärmere Kost vorzusetzen.

Viele Normalgewichtige fragen sich mittlerweile, warum sie künftig die Behandlungskosten für all die Dicken mittragen sollen, die die privaten Krankenversicherungen wegen der Risikofaktoren von Diabetes bis Herzinfarkt bislang gar nicht erst aufgenommen hatten.

Marilyn und ihre 11.000 Mitstreiter bei „Fat Pride“ sind es leid, dass sie sich für ihre Essgewohnheiten rechtfertigen müssen und von Fluggesellschaften zunehmend gezwungen werden, sich bei Flügen gleich noch einen zweiten Sitz kaufen zu müssen. „Als Dicker“, maulen sie, „bist du ein Bürger zweiter Klasse.“