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Gefühle zu zeigen und sie anderen gegenüber zu benennen, kann manchmal ziemlich schwierig sein. Paartherapeutin Bettina Schimanski will Mut machen zu einem „riskanteren“ Leben. Denn in einer vorsichtigen Welt bleibe man scheinbar sicher, gleichwohl auch unbefriedigter und einsamer.
Hier mein Fall: Eine langjährige Freundin (1), zu der seit 3 Monaten eine engere Beziehung besteht, hat bei einem Besuch eine Freundin (2) mitgebracht, welche mich tief berührt hat. Diese ist zur Zeit in Urlaub, so dass ich deren Reaktion noch gar nicht weiß. Zu ihrem Besuch bei mir hat sie sich gegenüber ihrer Freundin sehr angetan und positiv geäußert, woraus ich geschlossen habe, dass es passen könnte.
So what? Adresse, Telefonnummer habe ich schon ausfindig gemacht. Anrufen nach Rückkehr aus dem Urlaub (steht kurz bevor), meine Gefühle darlegen. Sie sagt es ihrer Freundin (1) und beide sind weg. Ich sage ihr, dass mir die Freundin (2) sehr gut gefällt - ohne zu wissen, ob die Freundin für mich gleiche Gefühle hegt.
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Siehe oben. Ich rufe an, sie (2) sagt, dass wir es versuchen sollten, da sie glaubt, dass es passen könnte. Ihre Freundin (1) wird durch sie aber nicht informiert. Erwartet, dass ich es ihr (1) sagen soll.
Eine Beziehung zu beiden halte ich für unehrlich und charakterschwach. Eine Beziehung zu (2) hätte die eindeutige Präferenz. B.H., 28 Jahre, ledig
Die Antwort der Paartherapeutin Bettina Schimanski:
Lieber Fragesteller,
es scheint Ihnen nicht um eine Antwort auf die Frage zu gehen: Soll ich für A oder B entscheiden - die haben Sie sich ja selbst beantwortet: Sie fühlen sich zu B hingezogen; eine Beziehung zu dieser Frau ziehen Sie vor. Trotzdem zögern Sie, Ihren Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Gleichzeitig sehnen Sie sich danach, mit dieser Situation „charakterstark“ und „ehrlich“ umzugehen.
Es hört sich aber so an, als wäre es für Sie aus verschiedenen Gründen schwierig, offen und ehrlich mit A und B über Ihre Gefühle zu sprechen; Sie wägen ab, was passieren könnte, wenn die beiden Frauen so oder so auf Sie reagieren würden. Im Augenblick sind Sie in einer Welt von Überlegungen, Befürchtungen und Vermutungen und versuchen, alles, was in Ihnen vorgeht, alleine zu händeln.
Aus meiner Sicht wäre es hilfreich, zu klären, was Sie so unsicher sein lässt? Was sind das für Ängste und Widerstände, die Sie eher vorsichtig und unsicher sein lassen? Was könnte dieses Zögern für eine „Geschichte“ haben - d.h.: Woher kennen Sie das, wo haben Sie das erlernen müssen? Und was könnte Sie unterstützen, einen direkteren Umgang mit Gefühlen zu erlernen? Das würde bedeuten, sich zunächst mit diesen Ängsten vertraut zu machen und sie anzuerkennen - nicht nur als Hindernis, sondern als Hinweis oder „Beschützer“. Dann könnte es anstehen, noch andere, „dahinter“ liegende Gefühle zu bemerken, sie ernst zu nehmen und Ihnen mehr Raum zu geben.
Das hieße, daß das Leben (nicht nur bezogen auf Liebesbeziehungen) riskanter wird - Sie „riskieren“, dass Ihre Gefühle erwidert werden, aber auch, dass Sie verletzt oder/und verlassen werden. In einer zurückgezogenen, abwägenden, vorsichtigen Welt bleibt man scheinbar sicher; gleichwohl auch unbefriedigter und einsamer. Mit mehr Gefühlen in Verbindung zu sein, setzt uns mehr aus, macht uns aber lebendiger und lässt uns das Leben in seiner ganzen Fülle „schmecken“.
Haben Sie auch eine Frage an einen unserer Paartherapeuten, dann schreiben Sie eine Mail an partnerschaft@derwesten.de