Washington.

„Wir warten und beten“, sagt Andrea Cochran. Von ihrem Vater Dewey (48) fehlt jede Spur. Hubschrauber und Rettungsboote der Küstenwache suchten am Freitag weiter nach Überlebenden des Infernos auf der Ölpattform „Deepwater Horizon“ im Golf von Mexiko. 115 Bohrarbeiter hatten sich eilig mit Rettungsbooten absetzen können, als die gigantische Plattform knapp 80 Kilometer vor der Küste Louisianas explodierte, in Flammen aufging und, nach einer Reihe weiterer Explosionen, gut zwölf Stunden später versank.

Voller Panik waren einige Bohrarbeiter von der 22 Meter hohen Plattform ins Meer gesprungen. „Wir hatten keine Sekunde Zeit, als der Alarm losging und sofort alles in Flammen stand“, sagte ein Arbeiter nach seiner Rettung. Elf seiner Kollegen werden seit der Explosion vermisst. „Je mehr Zeit verstreicht, desto geringer werden die Chancen, noch Vermisste zu finden“, dämpfte die Chefin der Küstenwache, Admiral Mary Landry, gestern Hoffnungen.

Neben der Suche nach Überlebenden konzentrierten sich die Anstrengungen darauf, eine Umweltkatastrophe in der fischreichen Bucht von Mexiko zu verhindern. „Wenn Öl austritt und Richtung Küste treibt, droht ein Desaster“, warnte Cynthia Sarthou vom „Gulf Restauration Network“, einem breiten Bündnis von regionalen Umweltgruppen. Auch BP-Vizechef David Raine fürchtete zunächst das Schlimmste.

Auf dem Wasser trieb gestern bereits ein 16 Kilometer breiter Ölteppich. Nach bisherigen Erkenntnissen waren dies allerdings Rückstände der Explosion. Allein rund 2,6 Millionen Liter Diesel waren auf der Plattform gebunkert. Noch ist offen, ob auch aus dem Bohrloch Rohöl entweicht. Gut eine Million Liter Rohöl hatte die Plattform pro Tag aus rund 1500 Metern Tiefe gepumpt. Mit einem Mini-U-Boot und Sonarmessungen versuchen BP und die Schweizer Transocean, der die zwei Fußballfelder große Plattform gehörte, zu ergründen, ob das Bohrloch leckt.

Der größte „Blowout“ im Golf von Mexiko in den letzten 30 Jahren hat derweil die ohnehin hitzige Debatte in den USA über die Ölförderungen vor der eigenen Küste weiter befeuert. Erst Ende März hatte Präsident Barack Obama angekündigt, die Suche nach Öl auch vor der bislang verschonten Atlantikküste erlauben zu wollen, um Amerikas Abhängigkeit von Ölimporten aus dem Nahen Osten zu verringern. Dass er damit zur Genugtuung der Republikaner auf Pläne seines Vorgängers George W. Bush einschwenkte, hatte ihm heftige Kritik vor allem von Umweltverbänden eingetragen. Auch in den eigenen Reihen regte sich Unmut. Die Katastrophe widerlege den „gefährlichen Mythos, dass Ölbohrungen vor der Küste sicher seien“, meinten zwei Abgeordnete der Regierungspartei nach dem Unglück der „Deepwater Horizon“. „Naturschutz muss Priorität vor kurzfristigen Förderinteressen bekommen, um derartige Katastrophen künftig zu vermeiden“ erklärt Stephan Lutter, Experte für Meeresschutz des WWF.

Sprecher der Ölfirmen wiederum sprachen von einer „Tragödie“, kündigten aber an, auch weiterhin mit hohem Tempo neue Felder erschließen zu wollen. „Das Unglück macht es für uns nicht einfacher“, räumten hingegen Abgeordnete in Florida ein, die zur Zeit Gesetzesnovellen vorbereiten, um hoch umstrittene Ölförderungen auch vor Floridas Küste zu ermöglichen.

Die explodierte und gesunkene Ölplattform, die rund 650 Millionen Dollar gekostet hatte, gehörte zu den modernsten ihres Typs und war erst 2001 in Dienst gestellt worden. Im Golf von Mexiko fördern Ölfirmen rund 1,6 Millionen Barrel Rohöl pro Tag. Rund ein Drittel des Bedarfs der USA wird damit inzwischen gedeckt.