Berlin. .
Ausnahmsweise durften Fluglinien ihre Jets am Dienstag im kontrollierten Sichtflug durch die Vulkanaschewolke hindurchmanövrieren, um auf Reiseflughöhen über der Gefahrenzone zu kommen. Aber was genau ist ein kontrollierter Sichtflug?
Neben dem Instrumentenflug (IFR) ist in der Luftfahrt auch ein sogenannter Sichtflug (VFR) möglich. Dabei müssen gewisse Mindestsichtweiten vorhanden sein und ein bestimmter Abstand von Wolken eingehalten werden. Auf Sicht fliegen normalerweise nur kleine Flugzeuge, etwa Sportflieger oder Hubschrauber. Dabei gelten vergleichbare Prinzipien wie beim Autofahren auf der Straße: Der Pilot handelt auf eigenes Risiko, ist ganz auf sich allein gestellt und muss selbst auf alles reagieren, was um ihn herum passiert. Er ist dafür verantwortlich, Kollisionen zu vermeiden und den richtigen Kurs einzuhalten. Unterhalb von 3000 Metern mischt sich die Flugsicherung prinzipiell nicht ein.
Eine Erlaubnis der Flugsicherung müssen die Piloten erst einholen, wenn sie im Sichtflug auf mehr als 3000 Meter steigen wollen und damit allmählich in die Nähe der von Fluglotsen gelenkten Ströme der großen Passagierjets kommen, die im reinen Instrumentenflug zwischen den internationalen Flughäfen unterwegs sind. Um Zusammenstöße zu vermeiden, dürfen Sichtflieger in diese Höhen nur mit Einverständnis der Flugsicherung aufsteigen und bekommen von deren Lotsen dann im Gegenzug feste Höhen, Kurse und Geschwindigkeiten zugewiesen, an die sie sich halten müssen. Dieses Verfahren nennt sich dann kontrollierter Sichtflug.
Vorteile für beide Seiten
Um den Flugverkehr nach tagelangem Stillstand wieder zum Laufen zu bekommen, erlaubte die deutsche Flugsicherung reihenweise Maschinen der Lufthansa, Air Berlin und anderer Gesellschaften den kontrollierten Sichtflug zwischen 3000 bis 6000 Metern und organisierte dabei mit ihren Lotsen die Flugbewegungen. Die Lösung hat für beide Seiten Vorteile: Obwohl der Luftraum hierzulande nach Angaben eines Sprechers der deutschen Flugsicherung in Langen unterhalb von 6000 Metern weiterhin mit Asche verschmutzt und damit gemäß internationaler Vorgaben für Instrumentenflüge gesperrt war, konnten die Airlines ihre Jets nun nach Sichtflugregeln starten und landen sowie auf eine Reiseflughöhe ab 10.000 Metern bringen, auf der auch Instrumentenflüge wieder erlaubt sind.
Für die Flugsicherung ist dabei entscheidend, dass das Risiko für eventuelle Unfälle in der asche-verschmutzen Luftschicht bei diesem Verfahren nicht mehr bei ihr, sondern ausschließlich bei den Fluggesellschaften und den einzelnen Piloten liegt. Denn im Sichtflug - kontrolliert oder nicht - obliegen alle sicherheitsrelevanten Entscheidungen gemäß der internationalen Regeln allein dem Flugzeugführer. „Der Pilot ist verantwortlich“, erklärte der Sprecher der Flugsicherung. Nicht zuletzt aus diesem Grund übt auch die Pilotenvereinigung Cockpit scharfe Kritik an dem momentanen Vorgehen, Jets im Sichtflug starten und wieder landen zu lassen. Das juristische Risiko sei jetzt auf die Piloten verlagert worden, sagte deren Sprecher Jörg Handwerg in der ARD.
Luftfahrtbundesamt erteilt Genehmigung
Die deutsche Flugsicherung ist übrigens nicht die einzige offizielle Stelle, an die sich Fluggesellschaften wenden müssen, wenn sie ihre Jets ausnahmsweise nach Sichtflugregeln durch die Aschewolke steuern lassen wollen. Entscheidender als das Einverständnis der Lotsen ist das Luftfahrtbundesamt in Braunschweig, das zunächst erst einmal eine entsprechende Genehmigung ausstellen muss. Denn die generelle Betriebserlaubnis einer im Passagiergeschäft aktiven Airline in Deutschland sieht nach Angaben der Flugsicherung nur Flüge nach Instrumentenflugregeln vor, bei der sich die Piloten mit Hilfe von speziellen Navigationssystemen unabhängig von Sicht- und Wetterverhältnissen orientieren. Will eine Gesellschaft ihre Maschinen im Sichtflug betreiben, muss das Amt das eigens gestatten. (afp)