Traunstein. .
Weil sie ihren Steuerberater entführt haben, stehen derzeit fünf Senioren in Traunstein vor Gericht. Sie hatten den Mann vier Tage lang in eine Kiste gesperrt. Er sei von dem angeblichen Finanzexperten „veräppelt und verarscht“ worden, sagte einer der Angeklagten.
Weil sie sich von ihrem Finanzberater um Millionen geprellt fühlten und zur Selbstjustiz griffen, müssen sich seit Montag vier Senioren vor dem Landgericht Traunstein verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft den zwei Männern und zwei Frauen vor, den zur Tatzeit 56-Jährigen aus Speyer entführt, mit dem Tod bedroht und um etwa 2,5 Millionen Euro erpresst zu haben. Einer der Beschuldigten bestritt die Entführung.
Bei den Angeklagten im Alter von 60 bis 79 Jahren handelt es sich um zwei Ehepaare und einen früheren Mitarbeiter des Finanzberaters. Gegen einen der Ehemänner konnte der Prozess vorerst nicht eröffnet werden, da er erkrankt und nicht verhandlungsfähig ist. Hauptbeschuldigter ist ein 74-Jähriger. Dieser sagte dem Gericht zufolge am Montag aus, es habe sich nicht um eine Entführung gehandelt, sondern der Mann sei von ihnen zu einem „Urlaub“ in Oberbayern eingeladen worden.
Die zwei Ehepaare besitzen im US-Bundesstaat Florida Häuser und kamen dort mit ihren späteren Opfer in Kontakt, auf dessen Anraten sie 1,4 Millionen US-Dollar anlegten. Der Berater hatte zunächst regelmäßig Zinsen für das Geld gezahlt, im Zuge der US-Immobilienkrise aber plötzlich nicht mehr. Der ehemalige Mitarbeiter hatte nach eigener Auffassung noch Geldansprüche an seinen Ex-Chef. Laut Anklage fassten die fünf gemeinsam den Entschluss, den deutsch-amerikanischen Berater zu entführen, da sie keine legale Möglichkeit besaßen, in den USA oder Deutschland an ihr Geld zu kommen.
Am 16. Juni 2009, dem Tag der Entführung, fuhren der 74-jährige Manfred K. und der 60-jährige Wilhelm D. zum Haus ihres Opfers in Speyer. Sie lauerten diesem der Anklage zufolge dort auf, fesselten ihn und verklebten seinen Mund mit Isolierband. Mit einer Sackkarre brachten die zwei Männer ihr Opfer demnach in einer aus Umzugskartons selbst gebauten Kiste ins Auto und legten diese in den Kofferraum. Bei einem Fluchtversuch während einer Rast schlug der 74-jährige K. laut Anklage so fest auf sein Opfer ein, dass diesem zwei Rippen brachen.
Drei Tage sollen die Angeklagten ihr Opfer in Chieming am Chiemsee dann in einem vorab präparierten Kellerraum gefangen. In dieser Zeit habe sich der Finanzberater „einer Art Femegericht“ stellen müssen, in dem ihm klar gemacht worden sei, dass er umgerechnet etwa 2,5 Millionen Euro zahlen müsse. Dabei hätten alle Angeklagten im Halbkreis um das Entführungsopfer gesessen, in einem Wandregal habe eine durchgeladene Pistole Walter PPK griffbereit gelegen. K. habe dem Mann dann klargemacht, dass er umgebracht werde, wenn er nicht zahle.
Verschlüsselte Aufforderung erkannt
Der verängstigte Mann wies der Anklage zufolge tatsächlich seine Banken zur Auszahlung hoher Summen an. Auf einen Überweisungsträger schrieb er allerdings „Sell 100 Call Pol.ICE - bitte heute!“. Der Bankmitarbeiter entschlüsselte die Aufforderung und alarmierte die Polizei, die den Mann schließlich befreien konnte.
Sollten die Beschuldigten wie angeklagt wegen Geiselnahme und gefährlicher Körperverletzung verurteilt werden, droht ihn eine Haftstrafe von mindestens fünf Jahren. Ein Urteil wird im März erwartet. Allerdings läuft auch gegen den Finanzberater ein Verfahren. Laut „Süddeutscher Zeitung“ (Montagsausgabe) wird in Kaiserslauten gegen ihn wegen Untreue ermittelt, er soll Anleger betrogen haben. (afp)