Oberhausen. .

Eigentlich ist mal wieder die Mutter an allem schuld. In diesem Fall allerdings im positivsten Sinne. Denn als der deutsche Musical-Textpapst Michael Kunze – übrigens ein Mann mit so verschiedenen Berufsbezeichnungen wie Schriftsteller, Songwriter, Dramatiker oder auch „Storyarchitekt“ – anfing, sich für Musikshows und insbesondere für die Gestaltung von Musicals zu interessieren, war es eine Kindheitserinnerung, die ihn endgültig verzauberte: „Meine Mutter war Schauspielerin und hat mich oft hinter die Bühne mitgenommen. Und so habe ich dann das Theater für mich wiederentdeckt“, erzählt der heute 66-Jährige. Seitdem hat der Tausendsassa mit der musikalischen Feder sechs eigene Musicals („Elisabeth“, „Tanz der Vampire“) verfasst und gut 30 Musicals und Theaterstücke ins Deutsche übertragen. Auch die neueste Oberhausener Produktion, „Wicked – Die Hexen von Oz“, die im März Premiere in Oberhausen feiert, gehört dazu.

Kunze selbst hält jene Geschichte über die Freundschaft zweier Hexen, die unterschiedlicher nicht sein könnten und die das laut Veranstalter Stage Entertainment „erfolgreichste Broadway-Musical“ ist, für „einen „Meilenstein“ in der Geschichte des Musiktheaters. Denn ein gutes Musical braucht für Kunze „erstens: eine gute Geschichte; zweitens: eine gute Geschichte; drittens: eine gute Geschichte.“ Das hat Wicked. Und „wenn die Musik die Geschichte nicht erzählt, ist sie wertlos.“ Viele amerikanische Musicals stehen seiner Meinung nach noch immer in der Tradition der Nummern-Revue, „die erzählen keine Geschichte weiter. So etwas würde ich nicht machen.“ Kunze wird eben nicht ganz zu Unrecht von Kennern der Szene als derjenige gefeiert, der nicht nur das europäische Musical mit seinen Geschichten entscheidend geprägt hatte, sondern so auch das Genre des Drama-Musical schuf.

Dabei hatte Michael Kunze schon lange, bevor der Musicalboom in Deutschland ausbrach, in der Musikszene den Ton angegeben – und ist dabei bis heute einer geblieben, der außerhalb seines Metiers eher leise Töne anschlägt. Aus seiner Feder flossen die Texte für so berühmte Schlager wie „Griechischer Wein“ von Udo Jürgens, „Bett im Kornfeld“ von Jürgen Drews oder auch „Du“ von Peter Maffay. Außerdem erfand er 1974 die Fantasiegruppe „Silver Convention“, mit der er sogar Nummer-eins-Hits in den US-Charts feiern konnte. Er habe „immer nur schreiben wollen“, erzählt Kunze heute. Dabei hatte der Lebensweg zunächst ganz anders ausgesehen.

1943 in Prag geboren, wuchs Michael Kunze in München auf. „Schon als Schüler habe ich Lieder geschrieben“, erinnert sich Kunze. Doch nach dem Abitur studierte er zunächst Jura, promovierte sogar. Dabei habe er „nie die Absicht gehabt, Jurist zu werden“. Schon Ende der 60er arbeitete er als Liedtexter und Schallplattenproduzent und kann bis heute 59 Goldene und 26 Platin-Schallplatten sein Eigen nennen.

Immer war es der gelungene Text, der für den Maestro des deutschen Musical-Librettos im Vordergrund stand. So waren es bei „Wicked“ gerade die „sprachlichen Herausforderungen“, die ihn reizten. Der Originaltext arbeitet mit einer Sprache voller eigens erfundener Wortkreationen, die es galt, adäquat ins Deutsche zu übertragen. Im Land der Hexen von Oz wird eben nicht gejubelt, sondern jubiliert. Da wäre bei einer reinen Übersetzung längst nicht alles im grünen Bereich.

Deswegen ist es Kunze auch wichtig, die Texte „zu adaptieren“, nicht zu übersetzen. Zwei bis drei Monate braucht er für so eine Arbeit und holt sich seine Inspirationen auch schon mal im Supermarkt. „Das ist eine Knobelei“, beschreibt er den Arbeitsprozess. „Ich versuche, wenn ich adaptiere, ein Lied noch einmal zu schreiben, und zwar so, wie es der Autor geschrieben hätte, wenn er die Sprache könnte“, betont Kunze.

Entspannung mit Klassik

Kunze, der sich privat bei „schwerer Klassik“ von Bruckner, Mahler oder Brahms sowie bei Bob Dylan entspannt – „Das ist die einzige Musik, bei der ich abschalten kann“ – , hat noch viel vor – nur was, das weiß er noch nicht.

Nur Eines ist sicher: In die Popmusik-Branche zieht ihn absolut nichts mehr. „Ich muss nicht wie Ralph Siegel, der einmal den Grand Prix gewonnen hat, jetzt immer wieder antreten, um noch mal zu gewinnen.