Karlsruhe. .
Knapp eineinhalb Jahre nach dem Amoklauf von Winnenden haben Angehörige von Opfern Verfassungsbeschwerden gegen das Waffengesetz eingereicht: Die Waffen, die 2002 in Erfurt und 2009 in Winnenden verwendet wurden, seien für Sportschützen weiter erlaubt.
Sie halten das im Juli 2009 verschärfte Gesetz für unzureichend, Massaker zu verhindern oder zu erschweren. Die Beschwerdeführer Barbara N. und Juri M. verloren bei dem Amoklauf am 11. März 2009 ihre beiden Töchter.
Die Waffen, die 2002 beim Massaker von Erfurt und 2009 in Winnenden verwendet worden seien, seien für Sportschützen weiter erlaubt. Juri M. betonte am Mittwoch in Karlsruhe, dass die meisten Amokläufe mit legalen Waffen begangen würden. Der Staat verletzte das Recht auf Leben, wenn er tödliche Sportwaffen nicht verbiete.
„Der Gesetzgeber begünstigt Schulmassaker“
Der Sprecher der Initiative „Keine Mordwaffen als Sportwaffen“ legte ebenfalls Verfassungsbeschwerde ein. Roman Grafe sagte: „Der Gesetzgeber begünstigt mit dem Waffengesetz Schulmassaker.“ Das Recht von rund zwei Millionen Sportschützen werde höher gestellt als das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Beschwerdeführer fordern in ihren Beschwerden das Verbot von Groß- und Kleinkaliberwaffen.
In einem ersten Schritt müsste zumindest ein Verbot von Großkaliberwaffen, die getrennte Aufbewahrung von Waffen und Munition und die Verringerung der Durchschlagskraft durchgesetzt werden. Auch gefechtsähnliche Schießübungen, bei denen das gezielte Schießen aus der Bewegung trainiert werde, müssten verboten werden.
Debatte in der Gesellschaft als Ziel
Das Argument der Sportschützen, nicht die Waffen seien an den tödlichen Amokläufen schuld, sondern die Menschen, ließ der Vater der getöteten Schülerin Viktorija nicht gelten. Man müsse geeignete Maßnahmen ergreifen, um diese Menschen zu kontrollieren. Mit seiner Verfassungsbeschwerde wolle er auch eine gesellschaftliche Debatte anstoßen. Seine Tochter und die Tochter der Beschwerdeführerin N. wurden in der Realschule von Winnenden von derselben Kugel getroffen. Das zeige, welche Durchschlagskraft die Pistole habe, die weiterhin erlaubt sei.
Initiativensprecher Grafe kritisierte, dass das geltende Waffengesetz in der Praxis mangelhaft umgesetzt werde. Mit dem gegenwärtigen Personal brauche man beispielsweise in Nürnberg 100 Jahre, um alle Waffenbesitzer zu kontrollieren. Das Waffengesetz von 2009 erlaubt unangekündigte Kontrollen. Dabei wird geprüft, ob die nur mit Waffenschein erhältlichen Waffen verschlossen aufbewahrt werden.
Waffenscheine erforderlich
Der 17-jährige Tim K. tötete am 11. März 2009 in Winnenden 15 Menschen und erschoss sich selbst. Pistole und Munition hatte er sich bei seinem Vater aus dem Schrank genommen.
Das Waffengesetz wurde nach dem Amoklauf von Erfurt 2002 und nach Winnenden im Jahr 2009 geändert. Für Klein- und Großkaliberwaffen sind Waffenscheine erforderlich, die frühestens mit 21 Jahren und nicht mehr ab 18 erhältlich sind. Erwachsene unter 25 Jahren müssen ein Gutachten vorlegen. Außerdem wurden die Aufbewahrungsvorschriften verschärft. (apn)