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Schlange stehen für die neue Währung. Vor 20 Jahren trat die deutsche Währungsunion in Kraft. 460 Tonnen Papier bereiteten der DDR den Weg in eine neue Zukunft.

1. Juli 1990. Es ist der Tag, an dem die Marktwirtschaft kommt – und er beginnt sozialistisch: Millionen DDR-Bürger stehen Schlange. Am Alexanderplatz in Berlin ist der Andrang vor der Bank so groß, dass sich der Bankdirektor nur schwer zum Schreibtisch durchkämpft. Wer Geduld genug hat, wird belohnt. Es gibt – eins zu eins – wertvolle D-Mark für wertlose DDR-Aluchips.

Zehn Millionen in Westwährung wird unser Bankdirektor alleine am „Alex“ auszahlen. 13,4 Milliarden D-Mark sind es DDR-weit, die die Frankfurter Bundesbank in den Tagen zuvor in gut gesicherten Geldtransportern nach Osten geschafft hat. Genau 460 Tonnen in Papier.

Rotkäppchen-Sekt auf das neue Zeitalter

20 Jahre nach der deutsch-deutschen Währungsunion erinnern sich viele in den gar nicht mehr so neuen Bundesländern an diese Stunden. Wie sie warteten, Rotkäppchen-Sekt tranken auf das neue Zeitalter, shoppen gingen mit der neuen Währung in der Tasche.

Über Nacht war auch mehr West-Ware angekommen. Und freie Wirtschaft statt staatlicher Bewirtschaftung. Ein Kaufrausch setzte ein. Trabis fuhren westwärts, Versicherungsvertreter nach Osten. Das Land tat den entscheidenden Schritt zur Einheit.

„Kommt die D-Mark, bleiben wir. Kommt sie nicht, geh’n wir zu ihr“. Mit Sprüchen, mit politischen Demonstrationen und am Verhandlungstisch war die Währungsunion acht Monate nach dem Mauerfall ertrotzt worden. Bonn wollte sie nicht so schnell. Bundesfinanzminister Theo Waigel konnte sich die Mark-Einführung noch im Februar „allenfalls schrittweise“ vorstellen.

Doch die Volkskammerwahl im März geriet zum Bekenntnis für das eine Deutschland. Die Flüchtlingsströme ließen nicht nach. Auffangzelte standen in den Rheinwiesen, und in Moskau machte Sowjet-Außenminister Eduard Schewardnadse Druck: „Beeilt Euch mit der Einheit“, sagte er zum DDR-Ministerpräsidenten Lothar de Maizière im vertraulichen Gespräch, „wer weiß, wie lange Gorbatschow sich hält“.

„Die DDR ist nicht wettbewerbsfähig“

Es waren also politische Gründe, die den Bonner Kanzler schließlich einknicken ließen, nicht wirtschaftliche Vernunft. Denn trotz der Vision von den „blühenden Landschaften“ kannte Helmut Kohl die Warnungen vor dem ökonomischen Kollaps der Ost-Wirtschaft. „Die DDR ist nicht wettbewerbsfähig“, hatte ihn Bundesbankpräsident Karl Otto Pöhl gewarnt. Der geplante Wechselkurs werde dies noch verschlimmern.

So geschah es. Die Betriebe der DDR, deren Bruttoinlandsprodukt 66 Prozent des westdeutschen erreichte, brachen zusammen. Ihre Produkte, von der Frühstückspaste Nudossi bis zum Zeiss-Fernglas, wollte im Westen niemand haben. In der Folge musste Bonn Wirtschaft und Bevölkerung der neuen Länder massiv stützen: 1,3 Billionen Euro flossen seit 1991 von West nach Ost. Steuergeld.