Essen. .

Haci-Halil Uslucan ist der neue Leiter des Zentrums für Türkeistudien in Essen. Im Sommer tritt der 44-Jährige seinen Job an. Sein Vater kam als Arbeiter nach Deutschland. Uslucan übernimmt den Posten von Faruk Sen, der sich zum Schluss zu viele Fauxpas erlaubt hatte.

Noch hat er keine Möbel bestellt, noch ist sein Büro verwaist, leer bis auf einen Hocker. Aber den Fehler, den er im Hamburg machte, will er nicht wiederholen. Da richtete er sich nie ein, brachte nichts Persönliches mit, keine Bilder, keine Bücher. Ein halbes Jahr nur sollte Haci-Halil Uslucan die Vertretungsprofessur an der Hamburger Helmut-Schmidt-Universität übernehmen. Doch aus einem halben Jahr wurde eines und daraus eineinhalb. „Das ist ein bisschen wie bei den Migranten der ersten Generation. Die wussten auch nicht, wie lange sie bleiben würden und lebten wie aus dem Koffer”, sagt Uslucan.

Im Sommer wird Haci-Halil Uslucan seine neue Aufgabe als Leiter des Zentrums für Türkeistudien in Essen antreten und zugleich die gerade eingerichtete Professur Moderne Türkeistudien an der Universität Duisburg-Essen. Haci-Halil Uslucan ist sozusagen, und das ist wertfrei gemeint, der neue Faruk Sen. 23 Jahre, seit der von ihm mitinitiierten Gründung, ist der Betriebswirt Sen das Gesicht des Zentrums gewesen, hat er es geprägt. Bis sich zum Schluss dessen politische Fauxpas häuften.

Erziehung ist sein Thema

Ein neuer Mann also, ein neuer Anfang. Uslucan ist Bildungspsychologe, beschäftigte sich in den letzten Jahren intensiv mit Fragen der Erziehung und Ausbildung türkischstämmiger Jugendlicher in Deutschland. In Niedersachsen etwa begleitete er einen Schulversuch, bei dem beobachtet wurde, wie sich islamischer Religionsunterricht an Schulen auf die Inte-gration der Kinder auswirkt.

Fragen der Familie und der Jugendentwicklung will sich der 44-Jährige auch im Zen-trum für Türkeistudien widmen, will die psychologischen Gegebenheiten in der Türkei mit jenen in Deutschland vergleichen. Was ist typisch türkisch und was vielleicht nur eine typische Folge von Migration. Sind türkische Jugendliche gewaltbereiter als deutsche oder spiegelt türkische Jugendgewalt auch nur die der jungen Leute aus deutschen Unterschichten wider. „Woher entstammt denn das Gros der türkischen Migrantenkinder, den ärmeren Schichten, die aus der Türkei kamen, um in Deutschland Arbeit zu finden”, so Uslucan.

Von Kayseri nach Berlin

Uslucan fährt an diesem Morgen in einem schwarzen Mercedes mit Berliner Kennzeichen vor. Dunkler Anzug, weinrote Krawatte. Ein kleiner, eher zurückhaltender Mann, der später im Gespräch über seine Themen durchaus Temperament zeigt. Und Humor. Acht Jahre alt war Haci-Halil, als er vom türkischen Kayseri ins Berlin der 70er Jahre verpflanzt wurde. Ein typisches Migrantenkind. Der Vater, ein angelernter Arbeiter, war zwei Jahre zuvor nach Deutschland ausgewandert. Uslucan erinnert sich an glückliche Kindertage in der Türkei, an die Großeltern, deren Liebling er war, die ihn im Sommer auf ihre Alm mitnahmen, Schafe hüten.

Berlin, Neukölln, war anders. Aber Uslucan nutzte seine Chancen. Gefördert vom engagierten Deutschlehrer machte er seinen Weg. „In der Türkei hätten unsere Eltern mir und meinem Bruder diese Ausbildung nicht ermöglichen können. Bildung ist dort erheblich teurer”, sagt er. Beide Söhne studieren, Uslucans jüngerer Bruder, ein promovierter Jurist, lässt sich gerade mit einer Kanzlei in Berlin nieder. „Unsere Eltern konnten uns nicht helfen, aber sie haben uns bestärkt”, sagt Uslucan. Die Mutter spreche heute gutes Deutsch, alltagstauglich, der Vater weniger.

„Die stark verwöhnende Haltung schadet den Söhnen eher“

Migration als Chance. Türkischstämmige Mädchen in Deutschland nutzten diese stärker als Jungen. Die Mädchen seien früher selbstständig, machten häufiger Abitur. „Die Eltern müssen begreifen, dass die stark verwöhnende Haltung gegenüber ihren Söhnen diesen eher schadet als nutzt”, sagt Uslucan, dessen Tochter gerade ihr Architektur-Studium beendet hat.

Demnächst wird also umgezogen. Nach Essen. „Die Gegend um den Baldeney-See soll schön zum Wohnen sein. Da werde ich mich demnächst mal umschauen”, sagt der künftige Leiter des Zentrums für Türkeistudien. Ach ja, und Möbel für sein neues Büro muss er noch bestellen.