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Der sieht richtig putzig aus: Eisbär Knut steht auf seinen Hinterläufen und winkt den Besuchern mit der linken Tatze zu. Minuten später bricht er zu einem Gang durch sein Gehege auf, wirft den gewaltigen Kopf scheinbar unmotiviert von rechts nach links. „Das ist gar nicht putzig“, sagt Frank Albrecht, Zoo-Experte der Tierschutzorganisation Peta.

„70 Prozent der in deutschen Zoos gehaltenen Eisbären zeigen Verhaltensstörungen“, erläutert Albrecht. In den vergangenen Monaten hat der Mann den 35 Tieren in den Zoos zwischen Berlin und München einen Besuch abgestattet. Und kommt zu erschreckenden Erkenntnissen.

Langeweile setzt den Vierbeinern in Gefangenschaft zu, trotz besserer medizinischer Betreuung und regelmäßigem Futter „sterben Eisbären in Gefangenschaft eher als in Freiheit. Rechnen wir die Jungtiersterblichkeit in den Zoos mit, hat ein Eisbär fern seiner arktischen Heimat eine Lebenserwartung von durchschnittlich vier Jahren“. In freier Wildbahn würden sie etwa 18 Jahre alt.

Dazu komme, dass der weiße Einzelgänger auf seinen ausgedehnten Wanderungen zwischen der kanadischen Hudson Bay und Sibirien Flächen von der Größe Deutschlands als sein persönliches Jagdgebiet durchstreife. Das kann ein noch so großes Gehege dem bis zu 800 Kilogramm schweren Tier nicht bieten. Viel schlimmer aber sei, dass die meisten Tiergärten dem mächtigen Zottel-Riesen nicht einmal den Platz gönnen, die die Säugetierleitlinie vorgibt.

Doch selbst Musterbeispiele wie die ZOOM-Erlebniswelt in Gelsenkirchen, die mit 1700 Quadratmeter Auslauffläche, naturnahen Gras-, Suhl- und Wasserbereichen Deutschlands größtes Gehege beherberge, besänftigen Al­brecht nicht. „Auch in Gelsenkirchen zeigen die Tiere ähnliche Störungen“, sagt er.

„Natürlich winkt ein Eisbär nicht in der Natur“, sagt Sabine Haas, Sprecherin der ZOOM-Erlebniswelt. „Doch was heißt verhaltensgestört?“ „Knut hat keinen Knall“, meint Claudia Bienek vom Berliner Zoo. In Frankfurt hingegen hat man sich von den größten Landraubtieren der Welt getrennt. „Die Tiere brauchen viel Platz und Ruhe. Unsere Gehege waren nicht groß genug“, erläutert Caroline Liefke. Ähnlich argumentiert Kurator Volker Grün in Duisburg: „Wir haben andere Schwerpunkte.“

Mit der Forderung, Eisbären aus den Zoos zu verbannen, steht Peta nicht alleine da. Die Tierschutzorganisation „Vier Pfoten“ betrachtete den Kult um Kurt und Kollegen ebenfalls mit Skepsis. „Im Zoo vegetieren die Tiere in engen Gehegen dahin“, lassen sie Leser ihrer Internetseite wissen. Für die vom Klimawandel bedrohte Spezies biete der Zoo keine Alternative zum Überleben. „Eine artgerechte Haltung von Wildtieren kann es im Zoo nicht geben“, erklärt Stefan Ziegler, Artenschutz-Experte beim WWF. Dennoch übt er Kritik an der Studie von Peta. Man müsse sehr genau auf die Zahlen von Nachzuchten schauen. Unverantwortlich sei es, Tiere wie zum Beispiel Delfine in Gefangenschaft zu halten, die sich dort nicht vermehren. Zwar erkläre Peta, dass die Sterberate von jungen Eisbären hoch sei. „Auch in der Natur sterben viele Jungtiere“, gibt Ziegler zu bedenken. Knut wäre heute am Polarkreis übrigens auch ein Todeskandidat. Auswildern? Das finden Eisbären gar nicht putzig.