London.

Sie sind so englisch wie der Sommerregen, die Royals und das Picknick beim Pferderennen: Hüte haben im Königreich immer Konjunktur, weil sie von Exzentrikern und Traditionsbewussten gleich geliebt werden. Rachel Trevor-Morgan, Hutmacherin der Königin, schenkt uns beim Atelierrundgang Einblick hinter die Kulissen dieser kapriziösen Handwerkskunst.

Die Werkstatt liegt verborgen in einer kleinen Gasse, schmale Holzstiegen winden sich eng wie in einem Schneckenhaus bis unters Dach. Auf den Hauptstraßen des Viertels `St. James’s“ mögen Tweed, Juwelen und Kristall in pompösen Geschäften gehandelt werden, doch das Atelier der Hutmacherin atmet noch immer die Atmosphäre eines Charles-Dickens-Romans: Es ist eng, quirlig und warm. Ein kleiner Hund schläft zwischen Stoffresten, während darüber auf der Arbeitsplatte ein schweres, silbernes Bügeleisen eindrucksvoll faucht und zischt.

Auf einer Herdplatte erhitzt Trevor-Morgan mit Handgriffen, die Jahrhunderte alt sind, große und kleine Messingkugeln. Später wird sie sie in feines, gewebtes Stroh pressen, damit es die Form loser Blütenblätter annimmt. Von Hand und Nähnadel entstehen so in vielen Arbeitsstunden üppige Blumenkelche für ihren Kopfschmuck. Fasanenfedern werden hier gefärbt und zu schwingenden Linien zurechtgezupft. Ob Seide oder Organza, Trevor-Morgan färbt die Stoffe passend zur Garderobe, spannt sie auf Rohlinge, gibt ihnen mit heißem Dampf und Draht die Form, säumt die Krempen und arrangiert Blumen und Federn so, dass sie dem Gesicht der Behüteten ein Rahmen sind.

Die Auftragsbücher im Atelier sind gefüllt mit Stoffproben von Kleidern ihrer Kundinnen: „Die meisten kaufen erst die Garderobe und lassen sich dann einen passenden Hut fertigen“, sagt sie. Echte Hut-Puristen halten es natürlich andersherum: Sie erstehen erst eine dieser fröhlich-unbeschwerten Kopf-Skulpturen, „ein bescheidenes Kleid dazu später. „Das ist schwieriger“, räumt Trevor-Morgan ein, „aber auch sehr sympathisch.“ Immerhin ließe sich ein Hut in England jederzeit tragen, „selbst im Supermarkt.“

Filigrane Pflicht

Bei großen gesellschaftlichen Ereignissen wie den Pferderennen, aber auch bei einfachen Hochzeiten, ist ein Hut auf der Insel filigrane Pflicht - selbst für schüchterne Damen. Alljährlich gehen aus Ascot viele Bilder ihrer extravaganten Hüte rund um die ganze Welt.

„Natürlich bringt ein Hut ein wenig Drama in die Garderobe“, sagt Trevor-Morgan, „doch wenn er passt, lässt er jedes Gesicht so fabelhaft aussehen, dass er selbstbewusst, nicht unsicher, macht.“

Trevor-Morgan ließ sich schon früh zu Maß-Hüten inspirieren: „Meine Mutter trug immer schöne Hüte“, erzählt sie, „und ich wollte erst Schauspielerin und später Kostümschneiderin werden.“ Sie ging bei den letzten Londoner Vertretern dieses Handwerks in die Ausbildung, fertigte vor 20 Jahren ihre ersten Designs auf dem Dachboden eines Klosters in Westminster an. Ein Geschäft hatte Trevor-Morgan damals nicht: Sie verkaufte ihre Handarbeit an einem kleinen Marktstand am Trafalgar Square.

Entwürfe zum 80.

Als sich die alte Hutmacherin von Königin Elisabeth II. vor vier Jahren zur Ruhe setzte, klingelte in Trevor-Morgans Atelier das Telefon. Die Garderobiere des Palastes bat um einige Entwürfe für Ihre Majestät. Seitdem behütet sie die Königin - zu ihrem 80. Geburtstag, ihrer Diamanthochzeit oder Treffen mit George W. Bush zeigte sich die Monarchin in Kreationen aus dem Atelier . „Sie ist eine Hut-Botschafterin“, freut sich Trevor-Morgan, „wie auch Carla Bruni mit ihrem Faible für Hüte zeigt sie, dass Kopfschmuck Spaß macht und Stil hat. Sie hält dieses Handwerk lebendig.“