Hannover. .

Das Leben mit einem „gebrauchten“ Partner kann kompliziert werden. Besonders Frauen nehmen die Erstfamilie ihres neuen Partners oft als Ballast wahr . In ihrem Buch „Im Schatten der Ersten“ warnt Doris Früh-Naumann vor dem Heile-Welt-Anspruch - und gibt Tipps, wie die Beziehung gelingen kann.

Nach dem Scheitern einer langjährigen Beziehung wünschen sich viele, mit einem neuen Partner noch einmal ganz von vorne anzufangen. Doch die Ausgangssituation solcher «Secondhand-Paare» ist oft kompliziert. «Vor allem, wenn Kinder da sind, ist die Vergangenheit in so einer Beziehung immer gegenwärtig - das ist völlig normal», sagt Doris Früh-Naumann, Autorin des Buches «Im Schatten der Ersten». Man müsse akzeptieren, dass die frühere Partnerschaft alle Beteiligten geprägt habe und ein wichtiger Teil in deren Persönlichkeitsentwicklung sei.

Einen Anspruch auf Exklusivität kann man in der Beziehung mit einem «gebrauchten» Partner daher nicht erheben. «Fast alles, was man gemeinsam macht, findet nicht zum ersten Mal statt. Es wird an der Vergangenheit gemessen und muss oft auch mit der Vergangenheit vereinbar sein», betont die Autorin aus Hannover. Vor allem mit finanziellen Verpflichtungen gegenüber dem Ex-Partner und den gemeinsamen Kindern müsse man sich arrangieren. So müssten sich Secondhand-Paare oft überlegen, ob sie es sich leisten können zu heiraten, ein gemeinsames Kind zu bekommen oder noch einmal einen neuen Beruf zu ergreifen.

Es sei wichtig sich klarzumachen, dass eine Zweitbeziehung nicht in das klassische Bild von Familie hineinpasst. Während Mutter-Vater-Kind normalerweise eine Einheit bildeten, die nach außen abgeschlossen sei, gehörten hier weitere Personen zum System. Allen voran der Ex-Partner, aber auch Verwandte und Freunde aus dem «alten Leben» sind Teil der neuen Verbindung und wirken auf sie ein. «Das Paar sollte sich damit auseinandersetzen und sich bewusst werden, wer zu diesem neuen ‘Wir’ nun mal untrennbar dazugehört», empfiehlt Doris Früh-Naumann.

Selbstverständlichkeiten immer wieder hinterfragen

Auch die Erwartungen an eine klassische Partnerschaft muss man in einer Secondhand-Beziehung überdenken. «Vieles funktioniert nicht so wie in einer Partnerschaft ohne Vorgeschichte», sagt Früh-Naumann. Das liege nicht an dem Paar selbst, sondern ganz einfach an der Situation. So müsse man vermeintliche Selbstverständlichkeiten noch intensiver als sonst immer wieder hinterfragen, alles neu miteinander aushandeln. Das fange damit an, wessen Christbaumkugeln den Weihnachtsbaum schmücken, und höre bei der Rolle, die der neue Partner für die Kinder aus der Erstbeziehung spielen solle, noch lange nicht auf.

Auch die schlechten Erfahrungen aus der ersten Beziehung sorgen im zweiten Anlauf oft für Konflikte. «Der Partner hat aus seinen Erlebnissen oft Schlussfolgerungen gezogen, die er in einer neuen Partnerschaft immer wieder bestätigt sehen wird», sagt Alexandra Schwarz-Schilling, Partnerschafts-Coach aus Berlin. Wer beispielsweise erlebt hat, dass sein erster Partner ihn öfter belogen hat, sucht auch beim neuen Partner immer nach Vertrauensmissbrauch. Und so müssten dann die neuen Partner für die Fehler der Ex-Partner büßen. Die Diplom-Psychologin empfiehlt Paaren, diesen unbewussten Schlussfolgerungen auf den Grund zu gehen und zu überprüfen, ob sie so weiter bestehen müssen.

Doris Früh-Naumann hält es in Secondhand-Beziehungen für besonders wichtig, dass beide Partner sich ihre Autonomie bewahren. «Vor allem Frauen tendieren dazu, sich in eine Helferrolle zu begeben und für ihren Partner alle Dinge zu regeln, die mit seiner alten Beziehung zu tun haben», sagt die Autorin. Dahinter stecke oft der Wunsch, ihre Partnerschaft gegen die Angriffe aus der Vergangenheit zu verteidigen. «Doch diese Aufgaben sind nicht der Job des neuen Partners. Man muss sich da rausziehen und dem anderen überlassen, seine ehemalige Beziehung zu klären», sagt Früh-Naumann.

Finanziell autonom bleiben

Auch finanziell sollten die Partner ihre Selbstständigkeit nicht aufgeben. «Man muss sich darüber im Klaren sein, dass finanzielle Verpflichtungen im Rahmen von Unterhalt oft nicht kalkulierbar sind», sagt Früh-Naumann. Das klassische Familienmodell mit einem Hauptverdiener funktioniere in solchen Partnerschaften daher in der Regel nicht. Beide müssten sich um die finanzielle Situation der Familie kümmern. Doris Früh-Naumann empfiehlt Secondhand-Paaren zudem, sich damit auseinandersetzen, wie beispielsweise die Unterhaltssituation aussieht, wenn sie noch ein gemeinsames Kind bekommen, oder wer im Todesfall des Partners erben wird. «Zur Klärung solcher Fragen sollte man sich unbedingt frühzeitig von Experten in Rechts- und Steuerfragen beraten lassen», sagt Früh-Naumann.

All diese Prozesse erfordern von den Paaren viel Geduld und Durchhaltewillen. «Viele Paare streben im zweiten Anlauf aber sehr schnell nach der heilen Familie, weil sie ihr ‘Versagen’ in der früheren Beziehung wiedergutmachen möchten», sagt Alexandra Schwarz-Schilling. Die Erwartung, dieses Mal müsse unbedingt alles besser werden, und zwar von Anfang an, setze alle Beteiligten unter Druck. «So eine Patchwork-Familie ist ein Kunstwerk. Beide Partner und auch die Kinder brauchen ganz viel Zeit, um sich an die neue Situation zu gewöhnen», betont die Diplom-Psychologin. (ddp)