Berlin. Lange war unbekannt, woher das Silber für mittelalterliche Münzen stammte. Ein Archäologenteam glaubt, das Geheimnis gelüftet haben.

Als Silbermünzen im Nordwesten Europas eingeführt wurden, läuteten sie einen enormen Wirtschaftswandel ein. Im Frühmittelalter führte die Umstellung von Gold- auf Silbermünzen als übliches Zahlungsmittel zu stärkerem Handel und förderte die Verbreitung von Münzgeld, heißt es in einer Studie, die sich mit der Herkunft des verwendeten Silbers beschäftigt.

Denn: Die Herkunft war lange Zeit unbekannt. Der Studie zufolge wurden verschiedene Thesen von einem Wiederaufleben des Bergbaus bis hin zu einem Import aus der byzantinischen und/oder islamischen Welt diskutiert. Mithilfe moderner Analysemethoden wollte das Forscherteam um Jane Karshaw von der Universität Oxford nun das Rätsel lösen.

Zusammensetzung der Silbermünzen deutet auf überraschendes Ergebnis hin

Tatsächlich gelang es den Archäologen, 49 frühmittelalterlichen Silbermünzen aus verschiedenen Regionen und Zeiten zu untersuchen. Das Ergebnis: „Trotz ihrer unterschiedlichen Herkunft zeigen alle Münzen aus der frühen Phase eine einheitliche Zusammensetzung.“ Durch den Blei- und Goldanteil zeige sich außerdem, dass das Silber nicht aus einer lokalen Mine stammen konnte. „Kein einziges bekanntes Erzvorkommen in Europa passt zu den Element- und Isotopenmerkmalen dieser frühen Silbermünzen“, heißt es in der Studie.

Ein Recycling von römischen Metallen wird ebenfalls ausgeschlossen, denn auch hier stimmt die Zusammensetzung nicht überein. Doch woher kam das Silber nun? Für die Archäologen wird durch Vergleiche mit anderen Daten klar: Byzanz. Doch da es zu dieser Zeit kaum Handel mit dem Mittelmeerraum gab, vermuten die Forscher, dass es sich nicht um extra importiertes Silber handelt.

Warum wurde das Silber plötzlich zur Münzherstellung verwendet?

Stattdessen gehen sie davon aus, „dass das byzantinische Silber, aus dem die frühesten nordeuropäischen mittelalterlichen Münzen hergestellt wurden, bereits in einer großen, aber begrenzten Reserve vorhanden war.“ Importiert wurde es vermutlich bereits in den vorherigen Jahrhunderten. Vergleichende Analysen zufolge müssen frühen Silbermünzen aus dem Nordseeraum aus eingeschmolzenen Kunstobjekten und Tellern aus dem byzantinischen Reich, beispielsweise aus alten Schätzen der Elite, hergestellt worden sein.

Dass diese Silbervorräte tatsächlich angegangen und wortwörtlich zu Geld gemacht wurden, deutet laut der Autoren der Studie auf einen Wandel im wirtschaftlichen Verhalten, sowohl bei der weltlichen als auch bei der kirchlichen Elite hin. Wodurch dieser Verhaltenswechsel motiviert war, ist den Forschenden nicht klar, mögliche Gründe seien ein erstarkter interregionaler Handel, die wirtschaftlichen Folgen der Pest, die Entstehung von Siedlungen oder eine veränderte Rolle der Kirche, heißt es von den Archäologen.

Karl der Große soll die Herstellung der Silbermünzen verändert haben

In der Mitte des achten Jahrhunderts änderte sich die Zusammensetzung der Silbermünzen allerdings wieder, so ergab es die Analyse der später geprägten Münzen. Vermutlich wurde ab dann Silber aus dem lokalen Bergbau, genauer gesagt dem französischen Melle, verwendet und die alten Münzen eingeschmolzen und mit diesem vermengt. Die Archäologen vermuten, dass hier Karl der Große eine wichtige Rolle spielte und die Münzherstellung reformierte.

fgö

  • Aktuelle Nachrichten aufs Handy? Hier geht es zur neuen WAZ-News-App – für Android und iOS.
  • Die WAZ auch bei Social Media – ob WhatsApp, Instagram oder Facebook.
  • Sie mögen den Tag kompakt zusammengefasst? Dann sind Sie beim täglichen WAZ-Newsletter richtig – hier entlang.