Berlin. Eine Büste, für fünf Pfund gekauft, wird zum Millionenlos für eine schottische Gemeinde. Wenn sie es einlöst. Über ein Luxusproblem.
Mit der Büste konnte Maxine Smith anfangs wenig anfangen. Das ist 25 Jahre her. Längst weiß die Gemeinderätin im schottischen Invergordon es besser und was die Skulptur wert ist: 2,5 Millionen Pfund, fast 2,9 Millionen Euro. Eine Menge Geld. Und überdies ein fantastisches Geschäft. Die kleine Büste hatte einst fünf Pfund gekostet.
Die 4.000-Seelen-Gemeinde hat ein Luxusproblem. Sie muss sich entscheiden – Kunst oder Geld? Erst am Montag hat der Gemeinderat beraten und doch keine Entscheidung getroffen. Inzwischen läuft die Diskussion weit über den Ort, über Schottland, ja über Großbritannien hinaus. Selbst die CNN hat Invergordon entdeckt.
2,5 Millionen Pfund kämen für Invergordon wie gerufen
Fremde schaffen es selten bis Invergordon. Und wenn doch, kommen sie mit dem Kreuzfahrtschiff, um von hier aus – 300 Kilometer nördlich von Edinburgh – auf die Schnelle die Highlands zu erkunden. In der Gemeinde lassen sie wenig Geld.
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Wenn das Unkraut rechts und links der Haupstraße wuchert, müssen Freiwillige ran, „weil der Gemeinderat das nicht mehr tut“, erzählte Frau Smith der BBC. Es gebe sozial schwache Gebiete und immerhin ein „Invergordon Common Good Fund“, „aber keine Mittel, die wir in irgendetwas investieren könnten“. Smith würden verkaufen.
Die Büste ins Ausland verkaufen? Eine Schande!
Spätestens hier ist der Zeitpunkt gekommen, einen Blick auf die Skulptur zu werfen, die sowohl im Louvre in Paris als auch im J Paul Getty Museum in Los Angeles ausgestellt wurde. Geschaffen wurde sie 1728 vom Franzosen Edme Bouchardon, ein namhafter Bildhauer des frühen 18. Jahrhunderts.
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Die Büste ist eines seiner früheren Werke. Sie zeigt seinen Auftraggeber: Sir John Gordon, ein Mitglied einer wohlhabenden Familie, der etwa 18 oder 19 Jahre alt war und durch Kontinentaleuropa reiste, als er in Rom den Bildhauer traf. Später sollte der Bildhauer noch Skulpturen für das französische Königshaus beisteuern, zum Beispiel für die Gärten des Schlosses von Versailles.
Jahrelanger Streit um den rechtmäßigen Besitzer
Gordon gilt als der Gründer von Invergordon, weshalb die Büste durchaus am richtigen Ort ist. Und in Schottland sollte sie nach Ansicht vieler Experten auch bleiben, die von der unglaublich detaillierten Meißelarbeit und von der kulturellen Bedeutung schwärmen.
„Soweit mir bekannt ist, ist es das einzige Bouchardon, das wir in Schottland haben, und es ist wichtig, dass wir diese Verbindung haben“, sagt Dr. Caroline McCaffrey-Howarth, Dozentin für Kunstgeschichte an der Universität Edinburgh. Es wäre eine Schande, wenn die Büste ins Ausland gehen würde.
Skulptur diente als Türstopper
Die Skulptur aus Marmor wurde verlegt und vergessen, bis sie in die Obhut des Stadtrats von Invergordon kam. Der hat das Kunstwerk 1931 bei einer Auktion im nahen Kindeace ersteigert – für eben jene fünf Pfund –, nur um es anschließend in einem Schuppen in einem Industriegebiet zu deponieren.
Wo Maxime Smith sie 1998 entdeckte, als sie eigentlich nach etwas anderem Ausschau hielt, nach historischen Gewändern und Ketten des Stadtrats. „Ein Gemeindebeamter öffnete das Vorhängeschloss und drinnen befand sich eine Innentür“, erzähte Frau Smith. „Eine Büste hielt diese Tür auf.“ Sie habe „dieses Ding auf dem Boden ignoriert“.
Interessent meldet sich bei Sothebys
Ein Begleiter bemerkte, dass die Büste vielleicht mehr sei als nur ein Türstopper und erkannte, um wen es sich handelte: Sir John Gordon. Alsbald brach ein Streit über den rechtmäßigen Besitzer der Skulptur aus, deren Wert anfangs auf 125.000 Pfund und später auf 1,4 Millionen Pfund geschätzt wurde. Erst seit 2019 steht außer Zweifel, dass sie der Gemeinde gehört.
Aus Übersee meldete sich ein Interessent und bot 2,5 Millionen Pfund. Ein ziemlich gutes Geschäft für eine Fünf-Pfund-Büste. Die Leute vom Auktionshaus Sothebys behaupten, das sei ein Höchstwert. Smith würde zuschlagen und die Kunst zu Geld machen – für die Kommune. Die Kunsthistoriker halten dagegen, sie wollen es in Schottland behalten. Der „Glücksfall“ schafft viel Unfrieden.
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