Berlin. Der Partner trennt sich, doch die Schwiegermutter kann nicht loslassen. Eine Psychologin erklärt, wann es Zeit ist zu handeln.
Es gibt Frauen, die man auch heute noch beschimpfen kann, ohne dass es einen Shitstorm gibt: Es sind die Schwiegermütter. Synonyme wie „Besen“, „Giftzahn“, „Meckerziege“ sind im Umlauf. Nur einen Aufschrei mit Hashtag gibt es seltsamerweise nicht. Noch mehr verblüfft, dass der Jahrhunderte alte Zoff zwischen Schwiegermutter und Schwiegertochter der Realität gar nicht mehr entspricht, so die Psychologin und Buchautorin Felicitas Heyne („Hassgeliebte Schwiegermutter“, mvg-Verlag).
Unbemerkt von der Öffentlichkeit nämlich sei das Verhältnis der beiden im Gegenteil sogar sehr harmonisch. Alles gut? Ach was. Denn die vielfach innige Beziehung berge eine Reihe neuer Gefahren, zum Beispiel, dass die Schwiegermutter zu sehr klammert. Das Problem: Schwiegermütter hängen vom Wohlwollen ihrer Kinder ab. Scheitert die Ehe, sind auch sie oft „gefeuert“. Und Ehen halten nun mal nicht ewig. Etwa 137.000 Ehen wurden 2022 in Deutschland geschieden. Hinzu kommen noch die Beziehungen ohne Trauschein, von denen ja auch viele auseinander gehen. Und dann kommt irgendwann ein neuer Partner, eine neue Partnerin ins Spiel.
„Es ist ja so“, sagt Psychologin Felicitas Heyne: „Wenn der Sohn sich neu bindet, wird die Beziehung Schwiegermutter und -tochter auseinandergerissen. Es kommt zum klassischen Verlust mit allen Ängsten und der Trauer.“ Dass auch Schwiegermütter leiden, davon ist selten zu hören. Eher geht es quer durch die Ratgeberliteratur um das „Schwiegermonster“. Um die Frau, die der Schwiegertochter vergiftete Komplimente macht („Schönes Kleid, überspielt vieles...“) Oder die die Kinder auf subtile Weise gegen ihre Mütter aufhetzen („Kann es sein, dass Mami sehr viel Geld für sich ausgibt?“).
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Beziehungskrise? Oft bekommt die Schwiegermutter Schuld
Zieht man die Thesen einschlägiger Ratgeberliteratur heran, geht es immer um die Wut einer Frau, die ihren Sohn „hergeben“ musste und dann wie Rumpelstilzchen auf Rachefeldzug zieht. Doch in den Foren und Blogs im Netz ist deutlich erkennbar, dass diese Frau, der man über Jahrhunderte nachgesagt hat, eiskalt zu sein, durchaus Bindungen eingehen kann. Allerdings ist das dann auch wieder nicht gut: Im Netz schütten viele Frauen ihr Herz aus über die unerwünschte Umklammerung.
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Sie habe immer eine „sehr gute Beziehung“ zu Schwiegereltern gehabt, schreibt eine „Betroffene“ auf ElitePartner. Besonders zu seiner Mutter. „Sie hat mich, fast wie eine eigene Tochter, ins Herz geschlossen.“ Noch immer würden sie beide telefonieren, würden sich zum Shoppen treffen oder zusammen essen gehen. Doch das sei mittlerweile mehr als belastend. Denn die Schwiegermutter mache es ihr schwer. Sie weine, weil sie unter der Trennung zu ihr, der Ex-Schwiegertochter, leide.
Das sei kaum auszuhalten, schreibt die Frau und fragt sich, „ob es gut ist, dass wir zur Zeit den Kontakt weiterführen. In mir regt sich einerseits der Wunsch, diese warmherzige Beziehung zu ihr zu halten, da ich sie sehr mag und schätze.“ Andererseits entstehe bei ihr auch das Gefühl, „ich muss langsam auf Abstand gehen, um mir selber und auch ihr eine Verarbeitung der Trennung zu ermöglichen“. Sie beide würden „irgendwie noch an der schönen „Schwiegermutter-Schwiegertocher“-Beziehung hängen“.
Kontakt zur Ex-Schwiegermutter halten? Das rät die Expertin
Die Schwiegermutter, ein Klotz am Bein. Und dabei so nötig für die Neu-Aufstellung in der Familie, in der ja selten ein Coach zur Hand ist, der für Harmonie sorgt. Was tun also? „Die Erfahrene der beiden“ sollte für neue Stabilität sorgen, sagt Heyne. Wenn es zur Trennung kommt, sollten die Emotionen dann doch stärker kanalisiert werden. Und jetzt kommt der springende Punkt zur Familienaufstellung mit der Ex: „Ganz klar. Es ist die Aufgabe der Schwiegermutter, der Ex des Sohnes einen neuen Platz zuzuteilen.“ Darf sie noch an den Familientisch? „Ganz klar: Nein.“
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Die Ex sollte herabgestuft werden – dahin, wo gute Freunde stehen. „Zur Familie aber gehört die Ex definitiv nicht mehr“, so Heyne. Hört sich in Zeiten von Patchworkfamilien wie ein Anachronismus an. Keine Geburtstagsfeier, keine Weihnachtsfeier mehr mit der Ex? „Genau.“ Vielleicht wäre es ja ein Weg, heimlich noch eine zweite Weihnachtsfeier zu organisieren? Auch davon rät die Expertin ab. Es sei unbedingt nötig, sich klar abzugrenzen. „Wichtig ist ja, dass die Schwiegermutter im Sinne ihres Sohnes handelt.“
Der Sohn habe sich schließlich für eine neue Partnerin entschieden. Grätsche die Schwiegergermutter dazwischen, riskiere sie das, was ihr ja das Wichtigste ist: die Beziehung zum Sohn. Also ab mit seiner Ex auf die Liste der ungebetenen Gäste. „Anders ist es, wenn Kinder im Spiel sind, sagt Heyne. „Die Ex ist ja die Mutter der Kinder ihres Sohnes. Sie wird einen Platz in der Familie behalten.“
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Und wenn dann Kinder da sind, sitzen Ex und Schwiegermutter als verschwörerisches Duos an der Kaffeetafel. Plaudern über Gemeinsamkeiten, letzter gemeinsamer Urlaub, ach war das schön. Und wie machst du noch mal die türkische Ofenkartoffel? Solche Insider-Gespräche seien natürlich Sprengstoff, den zu entschärfen in der Hand der Schwiegermutter liege, so Heyne. Keine Allianzen bilden. Neutral bleiben. Zu allen gleich nett. Klingt wie die Anweisung bei einer Zusammenkunft im Europarat. Wie soll das gelingen?
Expertin: „Männer gehen ander mit diesen Problemen um“
Felicitas Heyne rät in solchen Fällen: Wenn die „Neue“ merkt, dass die Schwiegermutter immer wieder den Kontakt zur Ex sucht, sollte sie selbst aktiv werden. Das Gespräch mit der Schwiegermutter suchen, statt zu schmollen. „Sie sollte sie genau darauf ansprechen, was sie gerade fühlt. Sie mit ihren Beobachtungen konfrontieren und dabei ruhig eine emotionale Sprache wählen. Aber nicht mit dem Ton des Vorwurfs. Eher in dieser Weise: ,Das tut mir weh, wenn ich sehe, wie intensiv du dich mit ihr beschäftigst und mich gar nicht beachtest‘“, so Felicitas Heyne.
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Schon komisch: Der Ärger richtet sich zu 99 Prozent gegen die Schwiegermütter, nicht gegen die Schwiegerväter. „Bei den Schwiegervätern und Schwiegersöhnen ist das einfach nicht so das Problem“, sagt Heyne. „Männer gehen anders mit diesen Problemen um. Sie ziehen sich eher zurück, mischen sich selten ein. Für die so genannte Care-Arbeit ist eben immer noch die Frau zuständig.“ Und Frauen machten dabei manchen Fehler, so Heyne. Oft käme es zu Missverständnissen, „weil die Frauen dazu neigen, zwischen den Zeilen lesen wollen.“ Da werde dann viel fehlinterpretiert, was gesagt wird.