Berlin. Vorteil Frauen: Während Männer in langen Hosen schwitzen, geht für uns das luftige Sommerkleid immer. Ein Appell für mehr Toleranz.
Wir wollten eigentlich am Abend vor der Abreise packen. Und dann früh morgens nur noch ab ins Auto und los. Aber dann versackten wir beim Italiener nebenan, feierten zur Einstimmung die zwei unbeschwerten Wochen, die vor uns lagen, und nahmen uns vor, um fünf aufzustehen.
Der Gatte ist früh morgens der disziplinierte von uns. „Ich brauch‘ eh nicht viel“, sagte er mit Kaffeetasse in der Hand und müdem Blick. Zwei kurze Hosen, vier Polohemden, Badehose, zählte er auf. Ne, ne, ne, sagte ich, während ich mich aus dem Bett quälte, das reicht nicht, „du brauchst ein Jackett. Zwei Hemden. Und lange Hosen“. Falls wir in Verona in die Oper gehen. Oder was auch immer.
Kleiderordnung im Sommer: Frauen haben es leichter
Ich wurde ziemlich schnell wach und geriet in beste Schlagabtausch-Laune. Der Gatte leider nicht. Die Stimmung war, sag‘ ich mal ganz vorsichtig, so, dass wir beide das Gefühl hatten, irgendwie mehr Raum zu brauchen. Aber wir hatten 1000 Kilometer vor uns, eingezwängt im Auto.
Ich fuhr die ersten 200. Ist doch praktisch, so ein Kleid auf den Weg zum Strand mit Flip Flops, im Restaurant und Konzert mit Sandalen, immer luftig und bequem, nichts zwängt ein, in der Redaktion gab es neulich auch viel Lob dafür, dachte ich, als ich auf die Autobahn fuhr, der Gatte auf dem Beifahrersitz schweigend auf sein Tablet tippte und die Teenie-Tochter bereits mit Kopfhörer in ihren ersten Podcast abtauchte.
Was für ein Vorteil. Ich brauche nur ein Kleid für alle Fälle, während Männer im Hochsommer mit langer Hose, Gürtel, Lederschuhen und Hemd in den Büros schwitzen müssen. Wenn es richtig offiziell wird, kommt noch das Jackett dazu, während ich immer noch im Sommerkleid bin. Ich tausche allenfalls das geblümte gegen eins in gedecktem blau.
Lange Hose im Büro – das hat keine Zukunft
Ich erinnerte mich an einen jungen Bekannten, der versucht hatte, seine kurze Hose auch im Büro zu verteidigen – und prompt vom Chef nach Hause geschickt wurde. Er möge doch bitte was Ordentliches anziehen. Der Kollege hatte noch versucht, zu erklären, er sei mit dem Fahrrad da, die Hose sei ganz neu, teure Marke. Er bekam einen Gnadentag im sportlichen Outfit. Von da an zog er sich vor Arbeitsbeginn auf der Bürotoilette um.
Was für eine Diskriminierung, kam mir in den Sinn. Wäre ich ein Mann, würde ich für die Emanzipation meiner nackten Beine kämpfen. Ich begann, mir meine männlichen Kollegen vorzustellen. Vorgesetzte. Geschäftsführer. Alle in kurzen Hosen ab, sagen wir, 25 Grad. Oder Bundestagsabgeordnete mit luftigen Bermudas; mit einem Hauch von Hemd aus Viskose drüber. Und Sandalen.
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Wenn Männer mit Sandalen ins Büro gehen, dann müssten doch all die Nagelstudios an jeder Ecke einen tollen neuen Geschäftszweig erwarten dürfen, nach dem Motto: Der bürotaugliche Männerfuß in 30 Minuten. Natürlich wäre die Männerpediküre billiger als die Frauenpediküre – wie beim Frisör.
Kurze Hose, lange Socken: Was die Mode noch bereithält
Wäre noch die Frage nach den Haaren an den Beinen. Dürfen Männer sie behalten, zum Ausgleich für das meist schüttere Haupt? Oder muss das weg, ebenso wie Krampfadern oder Besenreiser? Und was ist mit Nagellack? Sicher braucht der ein oder andere Männerfuß Nachhilfe bei der Optik (unser neulich erschienenes Wissensstück über Nagelpilz war jedenfalls bestens gelesen, print wie online, ähnlich wie das Stück „Guter Sex – Experten geben Tipps für Erfüllung im Bett“).
An der Raststätte kaufte ich mir eine Illustrierte, richtig lesen kann ich auf dem Beifahrersitz nicht, da wird mir schlecht. Beim Blättern dann sah ich sie: Nackte Männerwaden, freigelegt von einer Art abgeschnittener Anzugshose. Dazu: hochgezogene Socken in Sneakern.
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Am Gardasee, wo sich Camper mischen mit Luxusurlaubern, gehört es längst zum guten Stil, eine Hose zu tragen, die eine Handbreit über dem Knie endet. Zum Hemd in slimfit. Der Gatte will jetzt genauso in die Oper. „Es ist heiß, wir sind im Urlaub“, sagt er. Dann nimm wenigstens die kurze Chino, rate ich. Und füge hinzu (wobei ich mich an dieser Stelle ausdrücklich für meine Arroganz entschuldige): „Die mit den ausgebeulten Taschen kannst du den schlecht gekleideten Urlaubern überlassen. Die gibt es schließlich überall genug.“
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