Herford. Bad Salzuflen: Gegen sechs Beamte wird wegen Körperverletzung im Amt ermittelt, nachdem sie 30 Schüsse auf einen flüchtigen Autofahrer abgaben.
Nach zahlreichen Schüssen von Polizisten auf einen 19-jährigen flüchtigen Autofahrer in Nordrhein-Westfalen hat die Staatsanwaltschaft Strafverfahren gegen den jungen Mann und sechs Beamte eingeleitet.
Die Behörden ermitteln gegen den 19-Jährigen wegen versuchten Mordes in Verdeckungsabsicht, wie ein Beamter des Landesjustizministeriums in einer Sondersitzung des Innenausschusses im Düsseldorfer Landtag am Mittwoch sagte. Gegen sechs Beamte werde wegen Körperverletzung im Amt ermittelt.
Mit rund 160 Stundenkilometern vor den Beamten geflohen
Polizeibeamte hatten Anfang Juni in Herford den 19-jährigen Autofahrer kontrollieren wollen, weil dieser in der Nacht ohne Licht unterwegs war. Sie forderten ihn zum Anhalten auf. Er beschleunigte stattdessen und fuhr davon. Den Angaben nach floh der Mann in Herford mit rund 160 Stundenkilometern vor den Beamten. Auf einer Landstraße beschleunigte er auf rund 200 Kilometer pro Stunde. Wie sich später herausstellte, besaß er keinen Führerschein. Die Flucht endete in einer Sackgasse in einem Wohngebiet im benachbarten Bad Salzuflen.
Bei einem Wendeversuch kollidierte der Mann mit einem Polizeifahrzeug. Aufforderungen, sein Fahrzeug zu verlassen, kam der junge Mann nicht nach. Den Ministeriumsangaben zufolge fuhr der 19-Jährige „mit quietschenden Reifen“ auf einen Polizeibeamten zu, der inzwischen „frontal“ vor dem Auto des 19-Jährigen stand. Insgesamt zwei Polizisten mussten demnach ausweichen, um nicht angefahren zu werden.
Sechs Beamte geben mehr als 30 Schüsse ab
In der Folge gaben sechs Polizeibeamte mehr als 30 Schüsse ab. Der 19-Jährige kam schwer verletzt in eine Klinik. Er bleibt vermutlich querschnittsgelähmt. Allein die Zahl der abgegebenen Schüsse mache „nachdenklich“, sagte Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) vor dem Innenausschuss. Viele Fragen könnten wegen laufender Ermittlungen noch nicht beantwortet werden. Die Beamten hätten jedoch „größtmögliche Vorsicht“ walten lassen müssen, weil sie nicht gewusst hätten, was sie erwartete.
Einsätze dieser Art seien zudem „die absolute Ausnahme“, so Reul. Dass keine Aufzeichnungen des Einsatzes durch Bodycams oder Fahrzeugkameras vorlägen, sei „leider ein Problem der Rechtslage“, sagte Reul im Anschluss vor Pressevertretern. Bodycams etwa dürften Polizisten nur in bestimmten Situationen einschalten, dies müssten die Beamten zudem selbst entscheiden. „Die Bodycams waren dafür gedacht zu deeskalieren, nicht Beweise zu sichern“, sagte der Innenminister. (AFP)