Berlin. Tinkturen und Speziallacke: Helfen die Produkte aus der Werbung wirklich? Bei hartnäckigem Nagelpilz wird nun diese Therapie empfohlen.

Der Sommer lockt die Zehen an die Luft. Das ist gut, sagen Experten. So bekommen die Füße Luft. Doch nicht alle Zehen können sich sehen lassen: Stichwort „Nagelpilz“. Verfärbte oder brüchige Nägel führen oft dazu, dass sie einfach mit kosmetischem Nagellack überdecket werden. Ein grober Fehler, so die Podologin Corinna Dinse.

Obwohl weit verbreitet – Nagelpilz betrifft jeden Fünften, ab 65 Jahre sogar jeden Zweiten – gilt er noch als Tabu. Fast verschämt wird in den Apotheken nach „diesen Tinkturen aus der Werbung“ verlangt.

Dabei handelt es sich bei der Erkrankung um eine Volkskrankheit, sagt Hautarzt Prof. Markus Zutt aus Bremen. Man könnte also viel selbstbewusster auftreten. Gehe im Grunde jeden an. Stark betroffen sind laut Zutt auch Sportler, weil Füße in den Sportschuhen extrem schwitzen.

Nagelpilz ist langwierig und nur unter bestimmten Bedingungen erfolgreich

Warm und feucht – das ist das bevorzugte Klima der Hautpilze (Dermatophyten) verursacht. Gelegentlich erfolgt die Infizierung auch über Hefe- oder Schimmelpilze – in beiden Fällen gilt: Vorbeugen ist wichtig. Ob in der Hoteldusche oder im Freibad: immer schön Badelatschen tragen. Barfuß in geschlossenen Schuhen gilt als Nogo und Keimkammer für die Entstehung von Pilzen.

Oft entsteht Nagelpilz durch unbehandelten Fußpilz. Dieser lässt sich laut Hautärzten meist mit Salben in etwa zwei Wochen besiegen. Die Nagelpilztherapie gilt als langwierig – häufig dauert sie ein bis zwei Jahre. Absolute Hygiene ist ein Schritt zur Heilung.

Absolute Hygiene ist ein wichtiger Schritt zur Heilung von Nagelpilz.
Absolute Hygiene ist ein wichtiger Schritt zur Heilung von Nagelpilz. © Shutterstock / Sunny studio | Sunny Studio

Tinkturen und Lacke gegen Nagelpilz – Experten sagen, ob sie wirklich helfen

Gefühlt jedem zweiten Badezimmer stehen diese speziellen Lacke oder Tinkturen zur Behandlung von Nagelpilz, einer Krankheit, die von Haut-Experten behandelt wird. Schöne Zehennägel ist oft nur noch eine Wunschvorstellung. In vielen Fällen sind sie gelb verfärbt. Oft hat sich der Nagel schon gewölbt, ist brüchig und krümelig geworden.

Ob es sich um einen Pilz handelt, kann dann die Analyse einer Probe vom Nagel im Labor feststellen. Sind die gängigen und viel beworbenen Tinkturen und Lacke hilfreich? Viele beklagen mangelnde Erfolge.

Nagelpilz: Das rät der Hautarzt

Hautarzt Prof. Markus Zutt, Leiter des Dermatologikum in Bremen: „Man muss viel Geduld haben. Die Behandlung kann ein bis zwei Jahre dauern. Und man muss die Lacke konsequent anwenden. Der Nagel muss erst komplett gesund herauswachsen.“

Das geht ins Geld. Ein Fläschchen einer Firma, bei der die Lösung nicht täglich, sondern einmal wöchentlich aufgetragen werden soll, kostet fast 40 Euro. Viele brauchen vier bis fünf Fläschchen im Jahr, je nachdem, wie viele Nägel befallen sind.

Prof. Markus Zutt: In der Tat. Das ist recht kostspielig. Da sind die Produkte, die man nur einmal wöchentlich auftragen muss, noch vergleichsweise günstig.

Auch wenn es lange dauert. Und der Pilz danach ja sogar wiederkommen kann, Sie empfehlen die Mittel trotzdem?

Prof. Zutt: Man sollte es probieren. Spontanheilungen gibt es bei Nagelpilz nicht – das bedeutet konkret: Die Infektion heilt nicht von allein ab.

Gibt es bei hartnäckigen und schwierigen Fällen noch andere Methoden?

Prof. Zutt: Es gibt die systemische Therapie gegen die Pilzinfektion mittels Tabletten.

Welcher Wirkstoff ist dort enthalten?

Prof. Zutt: Zum Beispiel der Wirkstoff Terbinafin. Er tötet eine Vielzahl von Pilzen ab, die Nagelinfektionen verursachen können.

Die Therapie per Tabletten stand lange unter dem Verdacht, starke Nebenwirkungen auszulösen.

Prof. Zutt: Das hat sich durch die modernen Mittel geändert. Sie gelten als gut verträglich. Man sollte aber dennoch Nieren – und Leberwerte regelmäßig überprüfen lassen.

Eine systemische Therapie erzielt bessere Erfolge als die durch Tinkturen, Lacke oder Salben?

Prof. Zutt: Man wendet es meist in Kombination an. Dadurch lassen sich langfristig gute Ergebnisse erzielen. Auch eine medizinische Fußpflege ist hilfreich.

Wenn die Therapie einfach nicht anschlagen will – hilft es, die Nägel zu ziehen?

Prof. Zutt: Nein, das hat man früher mal gemacht. Aber damit schädigt man das Nagelbett und die Nagel bildenden Strukturen zu sehr. Der Erfolg blieb auch aus. Oft kam der Pilz sofort wieder.

Oft sind die von Pilz befallenen Nägel extrem dick und vorgewölbt. Wirken dann die Lacke und Cremes dann überhaupt noch?

Prof. Zutt: Hier kann man versuchen, einige Schichten des Nagels durch mit Harnstoff angereicherte Pasten abzutragen. Am besten auch durch die medizinische Fußpflege.

Nagellack nur dann, wenn der Pilz bekämpft wurde, so Podologin Corinna Dinse.
Nagellack nur dann, wenn der Pilz bekämpft wurde, so Podologin Corinna Dinse. © Shutterstock / New Africa | New Africa

Nichts hilft mehr? Innovative Nagelpilz-Therapie mittels Laser

An der Bochumer Universitäts-Klinik St. Josef werden auch Laser gegen Nagelpilz eingesetzt.

Was kann der Laser?

Hautarzt Dr. Klaus Hoffmann, Leiter des Hautteams an der Uniklinik St. Josef in Bochum: Mittels Nagelpilz Laser lassen sich die Wachstumsbereiche in der Nagelplatte durch Ultra kurz wirkende Hitzeimpulse zerstören.

Also wird der Nagelpilz einfach platt gemacht?

Dr. Hoffmann: Nein. Man will den Pilz im Nagel im eigentlichen Sinne nicht verbrennen, auch nicht abtragen oder bearbeiten. Im Gegenteil: Man versucht durch die Auswahl von besonders kurzen Laserimpulsen und geeigneten Wellenlängen gewissermaßen den Pilz im Nagel in Anführungsstrichen „explodieren“ zu lassen.

Ist das der Game-Changer bei der Nagelpilz-Therapie?

Dr. Hoffmann: Man kann eher sagen, dass die Laser eine wertvolle zusätzliche Hilfe darstellen, können Sie aber eher selten eine alleinige Therapie eines Nagelpilz es sein sollten.

Was muss dazu kommen?

Dr. Hoffmann: Gerade in schweren Fällen, wird es notwendig sein, unbedingt noch Tinkturen und Cremes zu der Lasertherapie hinzuzunehmen.

Wie wird der Laser eingesetzt?

Dr. Hoffmann: Wir behandeln alle 3-4 Wochen neu.

Wie teuer ist die Behandlung?

Dr. Hoffmann: Etwa 160 Euro pro Sitzung. Die gesetzlichen Krankenkassen zahlen diese Laser-Behandlung nicht. Viele private Krankenkassen zahlen sie bei schweren Fällen.

Wie hoch ist die Erfolgsquote:

Dr. Hoffmann: Mit der Kombitherapie liegt sie bei 85 Prozent. Das ist ein guter Erfolg.

Hygiene – na klar: Aber man kann soviel falsch machen

Eine wichtige Säule in der Therapie ist die Hygiene. Genau wie um die Haut insgesamt muss man sich bei der Hygiene auch um die Nägel kümmern. Hier kann man vieles falsch machen. Die Podologin Corinna Dinse (Mitglied des Bundesverband für Podologie e.V.) räumt mit gängigen Praktiken auf.


Viele Frauen lackieren die durch den Pilz verfärbten und brüchigen Nägel einfach über.

Corinna Dinse: Das ist nicht zu empfehlen. Es gibt zwar Speziallacke, auch welche, die atmungsaktiv sind. Aber trotzdem: Der Lack dichtet den Nagel im Grunde ab. Die Pilze und Sporen fühlen sich unter dem versiegelten Zustand richtig wohl. Zudem trocknet der Nagellackentfernen den Nagel aus, auch das schadet der Pilzbekämpfung.

Füße gründlich waschen reicht?

Dinse: Nein, das Wichtigste ist das Trocknen. Die Füße müssen absolut trocken sein.

Was ist mit den Strümpfen? Schicke Strümpfe mit hohem Kunstfaseranteil kann man ja auch bis 40 Grad waschen.

Dinse: Das reicht nicht. Die Socken müssen bei mindestens 60 Grad gewaschen werden, alles andere bringt gar nichts. Wobei Kochwäsche noch deutlich besser ist.

Thema Handtücher. Eins extra für die Füße ist okay?

Dinse: Eins für die Füße – aber pro Tag. Und bitte so hängen, dass andere Familienmitglieder da nicht mit in Berührung kommen. Auch hier bitte ab in die Kochwäsche damit.

Was passiert mit den feuchten, verschwitzten Schuhen?

Dinse: Die Schuhe sollte mit Anti-Pilzspray eingesprüht werden. Und richtig auslüften. Am besten Jogging- oder Tennisschuhe zum Trocknen in die Sonne stellen. Übrigens: Weiße Frotteesocken in Sandalen sind zwar verpönt, aber zur Fußpilzbekämpfung sind sie super geeignet, weil sich die Socken kochen lassen.

Schuhe immer gut lüften und desinfizieren.
Schuhe immer gut lüften und desinfizieren. © Shutterstock/Maksym Azovtsev | Maksym Azovtsev

Was denn jetzt? Textilschuhe oder Lederschuhe?

Ein Blick auf die Straßen – und man sieht diese modischen Textilschuhe an vielen Füßen. Sieht schweißtreibend aus. Claudia Schulz vom Bundesverband der Schuh- und Lederwarenindustrie e.V. hat Erstaunliches über Leder zu berichten.

Lederschuhe atmen, heißt es oft. Stimmt das?

Claudia Schulz: Leder ist in jedem Fall ein Material mit einer ganzen Reihe besonderer, vor allem natürlicher Eigenschaften. Und bietet damit viele Vorteile gegenüber anderen Materialien, auch gegenüber Textilien und erst recht gegenüber Kunststoff- oder Plastikschuhen.

Welche Vorteile sind das?

Schulz: Leder ist atmungsaktiv, wärmeisolierend, feuchtigkeitsspeichernd, dehnfähig, reißfest und scheuerfest. Das Nonplusultra aller positiven Eigenschaften und Vorteile von Leder und das, was es für die Schuhherstellung so interessant macht, ist die Fähigkeit des Leders, auf ganz natürliche Art relativ viel Feuchtigkeit aufnehmen und ebenso wieder abgeben zu können. Das hat im Vergleich zu dem Leder kein anderes Material in vergleichbarem Ausmaß zu bieten. Der Vorteil des Leders ist, dass solange der Schuh getragen wird die Fußfeuchte absorbiert wird. Dazu benötigt Leder aber nach einem Tag Tragen eine Pause von 24 Stunden, um die gespeicherte Feuchtigkeit ganz abzugeben. Sonst werden auch Lederschuhe zu Feuchtekammern, in denen Pilze gut gedeihen können.

Nicht nur schön sollen sie sein: Schuhe sollten den Füßen Spielraum lassen.
Nicht nur schön sollen sie sein: Schuhe sollten den Füßen Spielraum lassen.

Gibt es Unterschiede in der Qualität der Textilschuhe?

Schulz: Auf jeden Fall. Bei Schuhen aus textilen Materialien sollte man darauf achten, dass die Schuhe entweder aus Baumwolle sind, oder aus so genannten Hightech-Materialien, die Feuchtigkeit absorbieren können. Wichtig ist auch eine gute Innensohle. Hier haben sich zum Beispiel Sohlen aus Frottee bewährt. Frottee kann auch als Futter zum Einsatz kommen – ideal im Sommer bei geschlossenen Schuhen. Ebenfalls sehr gut: Schuhe aus Merino-Wolle.

Wie atmungsaktiv sind „atmungsaktive Stoffe“ wirklich – oft wird der Fuß auch darin noch sehr warm.

Schulz: Hier kommt es tatsächlich auf die Wahl der richtigen Materialien an. Synthetics sind wenig atmungsaktiv. Man schwitzt schnell, was ein ungünstiges, Keim förderndes Fußklima begünstigt. Natürliche Materialien wie Merinowolle oder Eukalyptusfaser sind hingegen bestens geeignet für luftdurchlässige Schuhe.

Was macht solche Materialien so besonders?

Schulz: Das Fell von Merinoschafen wird bis zu zwei Mal jährlich geschoren und besteht aus leichten, dünnen Haaren. Die Luftkammern in der Naturfaser sorgen für einen optimalen Temperaturausgleich. Außerdem ist Merino, ähnlich wie die Eukalyptusfaser, ein sehr guter Feuchtigkeitsmanager. Sie kann bis zu 33 Prozent ihres Eigengewichts an Feuchtigkeit aufnehmen und langsam nach außen abtransportieren. Die warme Sommerluft sorgt dafür, dass die aufgenommene Feuchtigkeit verdunstet und ein angenehm kühles Gefühl auf der Haut entsteht.

Wie wichtig ist die Passform eines Schuhes, um Infektionen zu vermeiden?

Schulz: Sowohl ein zu großer als auch ein zu kleiner Schuh begünstigt leider Infektionen bzw. Fehlstellungen. Um ein gutes Abrollen zu gewährleisten, empfehlen wir bei geschlossenen Schuhen einen Spielraum von der Größe eines 1 Cent Stücks im Zehenbereich.