Lüdenscheid. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst ist erstmals offiziell zu Besuch an der gesperrten Rahmedetalbrücke. Mitgebracht hat er nicht viel.
Das Wetter? Es passt. Schneeregen, Temperaturen um null Grad. Nebel. Ungemütlich. Die Stimmung in Lüdenscheid? Ähnlich. Auf dem Gefrierpunkt. Unübersichtlich. Das aber schon seit einem Jahr, seit dem Tag der Sperrung der Autobahn 45 im Dezember 2021.
Bürger-Initiative A45: „Klare Aussagen haben wir nicht bekommen“
Der Ort des Treffens? Er passt. Im Center für Lebenshilfe trifft Ministerpräsident Hendrik Wüst (NRW) auf rund 20 von der Sperrung der Sauerlandlinie betroffene Bürgerinnen und Bürger. Auf Menschen, die der Verkehr krank macht, weil sich die Lkw zu Tausenden nur ein paar Meter von ihrem Bett entfernt über die Umleitungsstrecken quälen, weil sie seit einem Jahr mit Dreck und Lärm leben müssen. Vom nordrhein-westfälischen Regierungschef, der sich für diesen öffentlichen und offiziellen Besuch, ein Jahr Zeit gelassen hat, erwarten sie in dieser Situation genau das: Lebenshilfe.
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Wüst hört ihnen zu, mitgebracht hat er aber nicht viel zur Rahmedetalbrücke. Jeder Betroffene hat zunächst die Chance, seine persönliche A-45-Leidensgeschichte zu erzählen. Dann sei kurz diskutiert worden, sagte Heiko Schürfeld, Sprecher der Bürgerinitiative A 45.
Wüst-Besuch in Lüdenscheid: Presse nicht erwünscht
Er erzählt es dieser Redaktion, weil die Presse bei dem Termin nicht erwünscht war. „Die Stimmung war aufgeheizt“, sagt er. Der Ministerpräsident habe zwar berichtet, dass ein Durchfahrtsverbot für den Lkw-Transitverkehr auf dem Weg sei, wie es vor Ort umgesetzt werden soll, habe er aber offengelassen.
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Der Teufel liegt ja auch hier wieder im Detail. Wenn die Lkw Lüdenscheid meiden müssen, dann werden sie den Nachbarstädten den Schlaf rauben. Auf die Kommunen im Märkischen Kreis kommt nun eine Abstimmungsaufgabe zu. „Am Ende blieben viele Fragen unbeantwortet“, kritisiert Schürfeld. „Die Anwohner wollten klare Aussagen, und die haben sie nicht bekommen.“
Wüst habe die Tragweite des Problems erkannt, sagt Schürholz. „Aber ich glaube, es gibt keinen Politiker mehr, dem es anders geht“, sagt er. Das Kompetenzgerangel, das Hickhack um die politische Verantwortung, das gehe allen Beteiligten zunehmend auf den Geist. „Alle bekräftigen immer, an einem Strang ziehen zu wollen. Aber ich sehe das nicht.“
6000 Lkw am Tag: Umsetzung des Fahrverbots muss die Region organisieren
Im Anschluss an das Bürgergespräch traf sich Wüst noch mit Vertretern der regionalen Wirtschaft und mit den Industrie- und Handelskammern. Im Anschluss daran zeigte er Verständnis für die Wirtschaft und deren Wunsch, dass der Verkehr fließe. „Bund und Länder haben haben die rechtliche Klarheit für Durchfahrtsverbote geschaffen. Jetzt muss die Region die Umsetzung organisieren“, sagt er. Zu den Durchfahrtsverboten würden die betroffenen Regionen nun Gespräche führen. Denn: „Der Verkehr wird sich einen anderen Weg suchen. 6000 Lkw an einem Tag sind eine ganze Menge.“
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Er habe bei den Gesprächen sowohl mit Pflegedienst- als auch mit Hightech-Unternehmen immer wieder von den gleichen Problemen gehört: den größer werdenden Mangel an Fachkräften. „Gerade bei Pflege kann es einem kalt den Rücken runterlaufen, wenn man weiß, dass die nicht mehr fährt oder zu spät kommt.“ Es gäbe Projekte, um die Situation zu verbessern. Es zum Beispiel daran gedacht, verschiedende Pflegedienste an einen Tisch zu bringen, um Wege nicht doppelt machen zu müssen. Es müsse Gespräche mit der Pflegekasse geben, die bei der Finanzierung helfen könne, weil die Zeit im Stau kompensiert werden müsse. Zudem wolle Wüst den Standort der Fachhochschule vor Ort stärken und digitale Weiterbildung forcieren.
20.000 Fahrzeuge auf der Umleitungsstrecke
Seit dem 2. Dezember 2021 ist A 45 wegen der maroden und einsturzgefährdeten Rahmedetalbrücke gesperrt. Täglich fahren rund 20 000 zusätzliche Fahrzeuge, davon rund 6000 Lastwagen, über die Umleitungsstrecken rund um Lüdenscheid. Anwohner und Unternehmen in der Region sind stark belastet durch Lärm, Abgase und Dauerstau, sie sind aber auch von Lieferproblemen, Umsatzeinbrüchen und der Abwanderung von Arbeitskräften schwer getroffen.
Die Bürger-Initiative verlangt ein weiträumiges Umleitungskonzept für den Transitschwerlastverkehr, das die Stadt wie auch die angrenzenden Kommunen entlastet. Einige Anwohner haben sich Schürfeld zufolge an eine Anwaltskanzlei gewandt, die der Forderung in einem Schreiben an das Verkehrsministerium in Düsseldorf, an die Autobahn GmbH und Straßen.NRWNachdruck verliehen habe. Die Zeit dränge - auch wegen der deutlich steigenden Unfallgefahr infolge von Wintereinbruch und Schneefall.