Ratingen/Essen. In der Lost-Place-Szene firmiert sie als verlassene „Krupp-Villa“. Seit Ewigkeiten hat sich an dem einst herrschaftlichen Gebäude nichts getan.
An außergewöhnlicher Architektur mangelt es im beschaulichen Ratinger Stadtteil Hösel nicht. Ein Anwesen aber sticht besonders hervor: die Villa am Hugo-Henkel-Weg 14. Seit Ewigkeiten rottet das Areal vor sich hin. Vor vier Jahren hat es dort gebrannt. Getan hat sich dort schon lange vorher und auch seitdem nichts. Eine Spurensuche.
Trotz des jahrelangen Leerstands sind in der Villa regelmäßig Besucher - allerdings ungebetene. In der Lost-Place-Szene war das Gebäude schon vor dem Feuer und auch heute noch beliebt, davon zeugen diverse Fotos oder Videos, die im Internet kursieren. Sie firmiert dort als ehemalige Krupp-Villa, alt und verlassen. Schwer machen es die aktuellen Besitzer Eindringlingen nicht. Zwar ist das Gelände eingezäunt und hat zur Straßenseite eine Mauer. Im maroden Holztor, das die Zufahrt sichern sollte, klafft allerdings ein Loch, durch das sich problemlos steigen lässt. Eine ziemlich offensichtlich defekte Überwachungskamera baumelt an einem Baum.
Erbstreitigkeiten sollen Hintergrund für jahrelangen Verfall sein
Ein Youtuber, der unter dem Pseudonym „Jack Silver“ aktiv ist, war schon mehrfach dort. Bei seiner letzten Visite im Juni vergangenen Jahres zeigte er sich in seinem Film erschüttert über den inneren Zustand: „Alter Schwede, was ist denn hier passiert?!“ Graffiti, Vandalismus, Müll, und natürlich die Schäden durch Feuer und Löschwasser - es sieht schlimm aus in der Villa, die einmal einen besonderen Eindruck gemacht haben muss, wie frühere Bilder zeigen.
In dem angeblich in den 1950er Jahren erbauten Gebäude soll mal der Direktor des Krupps-Stahlwerks in Rheinhausen mit seiner Familie gelebt haben, so wird es in der Lost-Place-Szene kolportiert. Erbstreitigkeiten seien der Hintergrund für den Stillstand und den Verfall von Haus und Grundstück, heißt es in Ratingen hinter vorgehaltener Hand.
Von offizieller Seite gibt es wenig Auskünfte über das Grundstück
Von offizieller Seite etwas über Vergangenheit, Gegenwart und mögliche Zukunft der verlassenen Villa zu erfahren, gestaltet sich schwierig. „Die betreffende Villa an der Hugo-Henkel-Straße befindet sich in Privateigentum. Warum die Eigentümer Gebäude und Grundstück in den letzten Jahren haben verfallen lassen, entzieht sich unserer Kenntnis“, teilt eine Sprecherin der Stadt schriftlich mit. Es gebe „jedoch Anzeichen, dass sich etwas tut“, heißt es weiter: „Der Verwaltung liegen Informationen vor, die zeigen, dass die Eigentümer und auch weitere Stellen darum bemüht sind, die Situation positiv zu verändern.“
Im vergangenen Jahr habe es mal ein Bauvoranfrage gegeben. Die habe die Stadt aber ablehnen müssen, weil sie nicht mit dem gültigen Planungsrecht vereinbar gewesen sei. Die Verwaltung resümiert: „Auch wenn noch offen ist, was zukünftig auf dem Grundstück stattfinden wird, scheint zumindest Bewegung in die Sache zu kommen.“ Weitere Auskünfte könnten aus Datenschutzgründen nicht gegeben werden.
Vage bleibt auch der im Stadtteil eigentlich gut vernetzte und starke CDU-Ortsverein Hösel/Eggerscheidt. Es findet sich dort niemand, der etwas zur Historie der Villa erzählen könnte. Oder zur Frage, wie etwa die direkten Anwohner auf das Areal und mögliche illegale Gäste blicken oder welche Vorstellungen es seitens der Kommunalpolitik gibt, wie es mit dem Areal weiter gehen könnte. Villa und Grundstück seien „der CDU bekannt“, teilt die Fraktion mit. Es gebe aber derzeit „keine politischen Planungen zur Umnutzung oder Weiterentwicklung des Grundstückes“, heißt es weiter: „Sollte sich dies in den kommenden Jahren ändern, wird sich die CDU dafür einsetzen, dass ein potenzieller Neubau sich harmonisch in das Umfeld und den Charakter Hösels einfügt.“
Nach dem Feuerwehr-Einsatz geht die Polizei von Brandstiftung aus
Der lange währende Stillstand dort ist zumindest überraschend. 1a-Lage, unverbauter Blick auf den Wald an der anderen Straßenseite, verkehrsgünstig. Bei Google Maps lässt sich erahnen, dass das Grundstück riesig ist. Es besteht kein Denkmalschutz für die Villa. Die Besitzer hätten bei Umbauten also einigermaßen freie Hand.
Gegen 22.30 Uhr am 23. Mai 2018 fingen die Villa und einige umstehende Bäume Feuer. Stunden brauchte die Feuerwehr, um die Flammen unter Kontrolle zu bringen. Der Dachstuhl des einst herrschaftlichen Gebäudes ist seitdem ein offenes Gerippe. Dass das Feuer gelegt worden sei, sei „mehr als wahrscheinlich“, teilte die Polizei später mit. Die Behörden haben die Ermittlungen gegen mögliche Täter schon vor langer Zeit eingestellt, nachdem alle Ansätze ausgeschöpft waren, so eine Sprecherin der zuständigen Düsseldorfer Staatsanwaltschaft. Ergebnis des Abschlussberichts: Die Brandursache habe sich nicht eindeutig ermitteln lassen. Es könnte vorsätzliche oder fahrlässige Brandstiftung gewesen sein. Aber auch ein technischer Defekt sei nicht auszuschließen. Wie es zu dem in einem stromlos geschalteten Haus hätte kommen können, bleibt offen. Der Villa hat der Brand den Rest gegeben. Dabei ging es offenbar immer noch um beträchtliche Werte. Trotz Leerstands schätzte die Polizei den Gebäude- und Sachschaden nach dem Feuer auf 250.000 Euro.