Essen. Der ARD-Film „Gott“ nach dem Stück von Ferdinand von Schirach setzte sich mit Sterbehilfe auseinander. Die Zuschauer konnten abstimmen.
Wieder durften die ARD-Zuschauer wie schon vor vier Jahren bei einem anderen Film entscheiden: 70,8 Prozent der Abstimmenden waren am Ende dafür, dass die Hauptfigur des Montagsfilms „Gott von Ferdinand von Schirach“ sterben darf. Sie hielten es für richtig, einem gesunden Menschen ein tödliches Medikament zu geben.
Im Anschluss wurde das Thema in der Talkrunde „Hart aber fair“ diskutiert, wo auch das Ergebnis verkündet wurde. 29,2 Prozent der Abstimmenden waren demnach gegen die Ausgabe des todbringenden Medikaments. Auch in Österreich und in der Schweiz war der Film zu sehen.
Zuschauer-Abstimmung wie nach Fernsehspiel „Terror“
Als die ARD im Oktober 2016 das Fernsehspiel „Terror“ nach Ferdinand von Schirachs Bühnenstück ausstrahlte, da war das fast so etwas wie das TV-Ereignis des Jahres. Weil der Zuschauer , wie zuvor im Theater, zum Richter wurde. Er durfte darüber abstimmen, ob ein Luftwaffen-Major, der ein von Terroristen gekapertes Passagierflugzeug abgeschossen hatte, um 70.000 Zuschauer im angesteuerten Ziel, einem Fußballstadion, zu retten, wegen Mordes zu verurteilen sei.
Im Oktober 2016 waren Film und Votum im Anschluss Thema in Frank Plasbergs Talkshow „Hart aber fair“ . 86,9 Prozent der Fernsehzuschauer hatten zuvor den Major vom Mordvorwurf freigesprochen. Auch in von Schirachs zweitem Stück „Gott“, das im September in Düsseldorf und Berlin Bühnenpremiere hatte , ist wieder der Zuschauer gefragt. Und erneut griff Plasberg am Montagabend (21.45 Uhr) die Problematik auf.
Vorsorglich hatte ARD-Programmdirektor Volker Herres darauf hingewiesen, dass das Abstimmungsergebnis am Ende keineswegs als medial inszeniertes Plebiszit missverstanden werden darf. Tatsächlich ging es bei der Einbindung des Zuschauers vor allem darum, zum Nachdenken über grundlegende Gewissensfragen anzuregen. Im Falle von „Gott“ hieß das: Jeder muss sich der schwierigen Entscheidung über das eigene Leben und Sterben stellen.
Ärztliche Beihilfe zum Suizid ist nicht mehr grundsätzlich verboten
Im Februar 2020 kassierte das Bundesverfassungsgericht den Paragrafen 217 des Strafgesetzbuches. Der verbot seit 2015 die „gewerbsmäßige Förderung“ von Selbstmord , etwa durch die Beschaffung tödlicher Medikamente, die der Lebensmüde selbst einnimmt. Eine gesetzliche Neuregelung steht zwar noch aus, aber ärztliche Beihilfe zum Suizid ist nunmehr erlaubt.
Unter welchen Umständen darf man einem Menschen, der sich das Leben nehmen will, beim Selbstmord helfen? Gibt es ein Anrecht auf selbstbestimmtes Sterben? Hausärztin Dr. Brandt ( Anna Maria Mühe ) hat es aus persönlicher Überzeugung im Film abgelehnt, ihrem zwar betagten, aber physisch und psychisch gesunden Patienten Richard Gärtner ( Matthias Habich ) ein todbringendes Präparat zu besorgen. Lesen Sie auch: Autor von Schirach spricht bei Lanz über seine Depression
Regie, Darsteller, Kamera machen aus „Gott“ ein TV-Erlebnis
Nun ist der Deutsche Ethikrat zu einer öffentlichen Sitzung zusammengekommen, um exemplarisch den Einzelfall des Witwers zu diskutieren. Es geht letztlich auch um die Frage, ob Mediziner jedem Patientenwunsch nach Sterbehilfe nachkommen müssen – egal ob jung oder alt, krank oder gesund.
Ethikrat-Mitglied Dr. Keller ( Ina Weisse ) und Gärtners Anwalt Biegler ( Lars Eidinger , schon der Verteidiger in „Terror“) befragen Experten zu ihren Positionen: eine Verfassungsrechtlerin ( Christiane Paul ), den Bundesärztekammer-Chef ( Götz Schubert ), Bischof Thiel ( Ulrich Matthes ).
Kraumes Regie, starke Darsteller und eine exzellente Kameraführung machen aus dem eigentlich undramatischen Stück voller akademischer Diskurse und rhetorischer Finessen ein Erlebnis. Vor allem der religiöse Disput zwischen Biegler und Bischof Thiel markiert, dank Ulrich Matthes, eine der seltenen Sternstunden.
„Gott“ , Montag, 20.15 Uhr, ARD
(mit dpa)