Köln. Elke Heidenreich hat ein Buch über Kleidung geschrieben. Im Interview spricht sie über ihr neues Werk, nachhaltige Mode und ihre Ehen.

„Was haben Sie gerade an, Frau Heidenreich?“ Am Telefon mag diese Frage etwas indiskret wirken, aber sie muss sein. Denn Elke Heidenreich hat ein Buch über Kleidung geschrieben. „Männer in Kamelhaarmänteln“, so der Titel, versammelt wunderbar launige Geschichten über ihre Garderobe und die anderer Menschen. Also, Jeans und einen leuchtend kornblumenblauen Kaschmirpullover trägt die Autorin in Köln zum Gespräch. „Warme, gemütliche Hauskleidung“, sagt sie.

Was ist Ihr ältestes Kleidungsstück?


Elke Heidenreich: Ein Nachthemd von meiner Mutter. Aus Baumwolle, weiß und mit Spitze am Kragen. Es muss jetzt 50 Jahre alt sein.

Hat Ihre Mutter es selber getragen?


Heidenreich: Ja. Ich habe ihren Nachlass weggegeben oder weggeschmissen. Aber dieses wunderschöne, alte Nachthemd habe ich behalten. Und trage es noch.

Warum haben Sie ein Buch über Kleidung geschrieben?


Heidenreich: Es sollte kein Buch über Mode werden, sondern darüber, was Kleidung mit uns macht. Warum sich manche Menschen wie anziehen. Und ob das einen an- oder abtörnt. Wenn mir beispielsweise eine dicke Frau in Leggings auffällt, denke ich: Du müsstest dich mal von hinten sehen! Ich bekam Lust, sowas aufzuschreiben. Darüber hinaus habe ich mich an meine eigene Garderobe in der Schule, bei der Konfirmation und in der Tanzstunde erinnert.

Was macht Kleidung mit Ihnen?


Heidenreich: Wenn ich was anhabe, in dem ich mich richtig wohl fühle, finde ich mich ein bisschen schöner. Andererseits habe ich schon bei Lesungen oder auf Bühnen gedacht: Warum habe ich bloß diesen blöden, kurzen Rock angezogen? Ich musste nämlich ganz streng die Knie zusammenhalten, weil sonst jeder darunter gucken konnte.

Bedauern Sie, dass Sie jetzt mit 77 Jahren nicht mehr alles tragen können?


Heidenreich: Darüber habe ich neulich zum allerersten Mal nachgedacht. Ich hatte ein kurzes Röckchen angezogen und gemerkt, dass das in meinem Alter eigentlich nicht mehr geht. Ich habe es dann ganz betreten wieder in den Schrank gehängt. Jetzt überlege ich, demnächst meine Sachen darauf zu durchforsten, was in meinem Alter lächerlich ist und ich wegtun sollte.

Wenn man Ihr Buch liest, hat man den Eindruck, dass Ihre Kleider länger als Ihre Beziehungen halten.


Heidenreich: Die Beziehungen halten sehr, sehr lange, fast lebenslang, aber die Ehen nicht. Bei mir wandelt sich die Liebe irgendwann in Freundschaft um. Aber manche Kleider habe ich wirklich 30, 40 Jahre. Endlos lange trage ich meine Lieblingsjacken und Lieblingsmäntel. Ich habe ein paar Teile, die gar nicht mehr passen, aber ich trage sie weiter. Und ich kaufe immer noch dazu.


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Achten Frauen mehr als Männer darauf, was jemand trägt?


Heidenreich: Es gibt Männer, die sehr genau auf Kleidung achten. Aber Frauen haben eine stärkere Affinität zu Klamotten. Und ich glaube, dass viele Frauen ihre Männer anziehen. Weil die Männer keine Lust haben, in Läden zu gehen.

Mode sagt viel über die Zeit aus, in der wir leben, schreiben Sie. Was bedeutet das für uns heute?


Heidenreich: Mir ist es alles ein bisschen zu übertrieben. Wir kaufen zu leichtsinnig, zu viel und denken nicht darüber nach, wie ein T-Shirt entsteht, das nur fünf Euro kostet. Man muss das Wort Nachhaltigkeit langsam begreifen und lernen, vielleicht nicht sinnlos jedes Jahr die ganze Garderobe neu zu kaufen. Sondern die Sachen wirklich mal länger zu tragen.

Lassen Sie sich von Modetrends anstecken?


Heidenreich: Überhaupt nicht. Im Gegenteil, sie ärgern mich. Wenn ich denke, ich sollte mal wieder einen weinroten Pullover haben, dann renne ich durch drei Städte und alle sagen mir: „Weinrot ist aus. Dieses Jahr trägt man oliv.“ Was heißt: „Man trägt!“ Kann man nicht mir überlassen, was ich tragen will? Ich gucke aber sehr gern Modezeitschriften an, weil der Irrsinn, der entworfen wird, mich auch enorm unterhält.