Washington. Wieder stirbt in den USA ein Schwarzer durch Polizeigewalt. Ein Video zeigt die Brutalität. Sein Tod erinnert an den Fall Eric Garner.

Eric Garner gilt bis heute als eines der wirkungsmächtigsten Symbole für hässliche, übertriebene Polizeigewalt in Amerika.

Der damals 43-jährige Afro-Amerikaner wurde im Sommer 2014 wegen illegalen Verkaufs von Zigaretten auf offener Straße in New York verhaftet. Weil er mit dem Anlegen der Handschellen nicht einverstanden war, nahm ihn der weiße Polizist David Panteleo (29) in den Schwitzkasten.

Elfmal, so belegen es Videoaufnahmen, die um die Welt gingen, keuchte der beleibte Schwarze: „I can’t breathe” – „Ich kann nicht atmen“ –, bevor er bewusstlos wurde und wenig später im Krankenhaus starb.

Polizeigewalt in den USA: Tatverdächtiger stirbt nach Polizeieinsatz

Panteleo wurde keines Verbrechens angeklagt. Die Angehörigen Garners erhielten aber knapp sechs Millionen Dollar Schmerzensgeld von der Stadt New York. Als Anerkenntnis für eine völlig aus dem Ruder gelaufene, rassistisch grundierte Form des Gesetzesvollzugs, wie New Yorker Zeitungen schrieben.

Danach wurden die Polizei-Vorschriften bei der Ingewahrsamnahme von Tatverdächtigen präzisiert; mit dem Ziel, einen zweiten Fall Garner zu vermeiden.

Gedenkmarsch im Juli 2019: Fünf Jahre nach seinem Tod durch rassistische Polizeigewalt erinnern Aktivisten an den Afro-Amerikaner Eric Garner.
Gedenkmarsch im Juli 2019: Fünf Jahre nach seinem Tod durch rassistische Polizeigewalt erinnern Aktivisten an den Afro-Amerikaner Eric Garner. © imago images / ZUMA Press | Erik Mcgregor

Ein schwer anzusehendes Video aus Minneapolis, das seit Dienstag die USA in sozialen Netzwerken erschüttert, legt den Schluss nahe: Der Versuch ist misslungen. Denn George Floyd ist tot.

Über mehrere Minuten drückt ein weißer Polizeibeamter vor einem Auto dem am Boden liegen Schwarzen, Mitte 40, mit hoher Kraftanstrengung das Knie ins Genick.

Polizeigewalt gegen Schwarze: „Ich kann nicht atmen“

Der verdächtigte Mann klagt hörbar mehrmals über akute Atemnot. „Bitte, bitte, bitte, ich kann nicht atmen. Mein Magen schmerzt, mein Genick schmerzt, bitte, bitte, ich kann nicht atmen.”

Passanten greifen den Beamten und seinen Sozius in Uniform, der unbeteiligt zusieht, verbal mehrfach scharf an, halten den Zugriff für völlig unangemessen, warnen mit Nachdruck vor gesundheitlichen Schäden, weisen darauf hin, dass er aus der Nase blutet. Ohne Erfolg. Der Polizist mit dem Knie reagiert nicht.

Kurz darauf sieht man, dass der Mann bewusstlos geworden ist und auf eine Trage gelegt wird. Ein Krankenwagen bringt ihn in eine nahe gelegene Klinik. Dort stirbt er wenig später.

Schwarzer stirbt nach Polizeigewalt: Ermittlungen laufen

Das von einer Passantin aufgenommen Video schlägt in sozialen Netzwerken schnell Wellen. Die Polizei in Minneapolis reagiert umgehend. Die Bundespolizei FBI und eine bundesstaatliche Ermittlungsbehörde werden eingeschaltet.

Polizeichef Medaria Arradondo macht darauf aufmerksam, dass bei den internen Untersuchungen die Frage oben steht, inwieweit der Beamte die geltenden Vorschriften bei der Festnahme von Tatverdächtigen befolgt oder missachtet hat. Eine Vorverurteilung versagt sich Arradondo, deutet jedoch an, dass Bürgerrechte verletzt worden sein könnten.

Anders Jacob Frey. Der 38-jährige, weiße, demokratische Bürgermeister der Metropole im Bundesstaat Minnesota sucht schnell den Kontakt zu schwarzen Bevölkerung. „In Amerika schwarz zu sein, sollte kein Todesurteil sein”, schrieb Frey auf Facebook, „fünf Minuten lang sahen wir einen weißen Beamten sein Knie in das Genick eines Schwarzen drücken. Fünf Minuten. Wenn man jemanden um Hilfe rufen hört, sollte man helfen. Dieser Beamte versagte im grundlegendsten, menschlichen Sinne. Alles, was ich sagen kann: Dieser Mann hätte nicht sterben dürfen.”

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Als erschwerend kommt hinzu, dass die Polizei selbst früh den Eindruck hatte, dass mit dem Tatverdächtigen etwas nicht stimmt. Bei seiner Festnahme, der er sich widersetzt habe, bevor er zu Boden gerungen worden sei, bemerkten die Beatmen eine „medizinische Notlage”, erklärte ein Polizeisprecher. Warum nicht entsprechend reagiert wurde? Offen.

Nach Tod eines Schwarzen: Polizisten vom Dienst suspendiert

Die beiden beteiligten Beamten wurden vorübergehend vom Dienst suspendiert. Für Dienstagabend riefen Bürgerrechts-Organisationen zu Protesten am Tatort auf. Amy Klobuchar, Senatorin aus Minnesota und bis vor Kurzem demokratische Präsidentschaftskandidatin sagte: „Es muss Gerechtigkeit geben für diesen Mann, seine Familie, unsere Gemeinde, unser Land.”

In einem allersten Schritt, so teilte Bürgermeister Frey am Dienstnachmittag mit, sind vier am Tod von George Floyd beteiligte Polizisten kurzerhand entlassen worden. „Dass war die richtige Entscheidung“, sagte der Bürgermeister.

Rassismus und Polizeigewalt in den USA – Mehr zum Thema:

Fälle rassistisch motivierter Polizeigewalt sind in den USA keine Seltenheit. Einer der jüngsten Rassismus-Skandale ist noch kein Jahr vergangen. Damals führte ein US-Polizist einen schwarzen Mann an einem Strick ab. Im US-Bundesstaat Texas wurde im Oktober vergangenen Jahres eine dunkelhäutige Frau in ihrem eigenen Schlafzimmer von Polizisten erschossen. Nachdem 2016 innerhalb weniger Tage zwei Afro-Amerikaner in New Orleans und Minnesota von Polizisten erschossen wurden, gab es Protest und Demonstrationen der „Black Lives Matter“-Bewegung. Beim Protest gegen US-Polizeigewalt wurde dieses Foto zur Ikone.