Stockholm. Ein Schwede ist monatelang für den Mörder seiner Frau gehalten worden - bis der wahre Täter gefunden wurde. Es war ein Elch.

Die Jahrzehnte waren gnädig zu Ingemar Westlund. Das unternehmungslustige Leben mit seiner hübschen, sowohl energischen wie liebevollen Frau Agneta im naturidyllischen Örtchen Lofthammer und das weiße, aber noch immer dichte Haar haben wohl ihren Teil dazu beigetragen. Der 68 Jahre alte Rentner wirkt jung. Auch jetzt noch. Nach dem unsäglichen Martyrium, das er über ein Jahr irgendwie ausgehalten hat.

Die schlimmste Zeit seines Lebens begann an einem milden Freitagabend im Spätsommer 2008 mit einem beiläufiges „Hej då!” von seiner 63-jährigen Agneta. Mit dem Hund wollte sie im Wald spazieren gehen und kam nicht wieder. Ausgedehnte Spaziergänge waren nichts Ungewöhnliches für sie. Aber nach Stunden machte sich Ingemar Sorgen und ging Agnetas Lieblingsstrecke ab. Er fand sie Tod im Wald liegend, mit vielen Wunden.

Der Boden sackte beim Anblick unter seinen Füßen weg. Der schlimmste Moment seines langen Lebens, sagte Ingemar später. Doch es wurde noch schlimmer. Die Polizei verhaftete ihn. Sie glaubte, er habe Agneta umgebracht. Zehn Tage saß der Rentner, mit dem Zusammenbruch eines ganzen Lebensabschnitts vor Augen, in einer Zelle und musste nach eigener Aussage die Erniedrigungen der gefühlskalten Wärter und Polizisten ertragen.

„Hinzu kam die erdrückende Frage nach dem Mörder meiner Frau“, sagte er später. Nachdem ein Ermittler befand, der alte Mann werde vermutlich nicht fliehen, wurde er plötzlich freigelassen. „Die Polizei schickte mich in meiner grünen Häftlingskleidung direkt auf die Straße”, erzählt er der schockierten schwedischen Öffentlichkeit.

Er hatte damals lediglich seine Frau. Die hätte ihm sonst Kleidung mitgebracht. „Fünf weitere Monate stand ich unter Mordverdacht.“, sagt er.

„Bei der Beerdingung musste ich Agneta unter dem Verdacht, ihr Mörder zu sein, vor 300 Trauergästen Lebewohl sagen.” Die Ermittler sollen dem Rentner nach dem halben Jahr und ungezählten Verhören nicht einmal Bescheid gesagt haben, dass er nicht mehr unter Mordverdacht stehe. „Ein Journalist hier aus dem Ort hat mich angerufen und mir das gesagt”, sagt Ingemar. In dieser Woche musste die Polizei dann überraschend bekannt geben, das nicht der Ehemann oder der Gärtner, sondern ein Elch Agneta Westlund getötet hatte. Zwei Landwirtschaftswissenschaftler und Elchexperten der Universität Umeå im Norden Schwedens mussten erst dazugeholt werden, um Elchhaar an Ingemars toter Frau zu identifizieren. Am Mordplatz war zudem Elchspeichel gefunden worden. Auch die Verletzungen an der Leiche passten dazu.

Vermutlich hatte Agnetas Hund den Elch in Panik gebracht, der Elch griff den Hund an, dieser sprang zurück zu Agneta, die ihn leider in die Arme nahm und so zum Ziel des Elchangriffs wurde.

Die Tiere sind eigentlich friedlich, aber Angriffe auf Menschen kamen schon früher in dieser Jahreszeit vor. Wenn Elche gegorene Äpfel essen, werden sie betrunken und wie einige Menschen auch schnell aggressiv. Vor Jahren musste deshalb gar ein schwedisches Altenheim am Wald ein Ausgangsverbot verhängen. „Das habe ich in einem kurzen Brief erfahren”, sagt der Witwer. „Kein Wort der Entschuldigung, keine Frage, wie es mir geht. Es war ein Hexenprozess, ein Albtraum”, sagt er.