Köln. Dieses Jahr mal ohne mich: Wer Weihnachten ohne seine Verwandtschaft feiern will, hat jedes Recht dazu. Doch um niemanden vor den Kopf zu stoßen, sollte man rechtzeitig mit den Verwandten Kontakt aufnehmen und über die eigenen Wünsche sprechen. Denn Weihnachten darf auch erholsam sein.

Der oft nur still und umso sehnlicher gehegte Wunsch nach einem Weihnachtsfest im kleinsten Familienkreis ist erfüllbar. Und doch scheitert die Realisierung oft an der Angst, Erwartungen nicht zu genügen und Eltern oder Geschwister vor den Kopf zu stoßen. «Wer Weihnachten am schönsten findet, wenn er es nur mit seinem Partner und gegebenenfalls den Kindern verbringt, darf diese Vorstellung verwirklichen», sagt die Kölner Familientherapeutin Gabriele Höreth. Am Anfang stehe ein ganz einfacher Schritt: sich mit den Liebsten zusammenzusetzen und die Wünsche zu formulieren.

Dabei könne es sinnvoll sein, eine Reihenfolge einzuhalten, erläutert Höreth. «Zunächst finden die Eltern ihren Konsens.» Anschließend steuern die Kinder ihre Vorstellungen bei. «Am Ende weiß dann dieser kleine, aber so wichtige Kreis, was tatsächlich der gemeinsame Wunsch ist.» In Gesprächen gegenwärtigt die Familientherapeutin oft, dass der eine von den Erwartungen des anderen bislang zu wenig wusste. Und häufig ist dann das Fazit: Ohne Oma und Opa, also auch ohne die jeweiligen Schwiergereltern, ohne Tanten und Onkels wäre Weihnachten auch mal schön.

Vor allem Frauen wünschen sich Abgrenzung

«Meist sind es die Frauen, die uns oft schon Wochen vor Weihnachten von ihrem Wunsch nach Abgrenzung innerhalb der erweiterten Familie, nach etwas Ruhe im kleinen Kreis berichten», schildert Christiane Rieth, Psychologin bei der ökumenischen Telefonseelsorge, die Situationen in den Beratungsgesprächen während der Vorweihnachtszeit. «Wir brauchen die Tage so sehr für uns», heiße es immer wieder. Der ständige, allseitige Ausgleich mit Schwiegereltern und Verwandten sei eben nicht immer herzustellen, sagt Rieth. «Und dann hilft es halt nur, eine Grenze zu ziehen.»

Weil solche Grenzziehungen wehtun können, rät Psychologin Rieth zu frühzeitiger Kontaktaufnahme mit der Verwandtschaft. «Dann kann ein eventueller Schmerz bis Weihnachten wieder abklingen.» Prinzipiell stehe Telefonseelsorgern auch der Rat zur Verfügung, Eltern und Kindern über Weihnachten eine Reise oder einen Kurzurlaub zu empfehlen. «Das gilt immer als Entschuldigung, aber viele haben nicht das Geld dafür.» Eine ebenfalls nicht billige Lösung sei, die komplette Verwandtschaft in ein Restaurant einzuladen. «Anfang und Ende des Treffens bestimmt dann der, der bezahlt.»

Da ein Gänsebratenessen für 20 hungrige Mäuler so viel kosten kann wie ein Kurzurlaub, hilft allen anderen nur: argumentieren und verhandeln. Familientherapeutin Höreth empfiehlt, klare Angebote zu machen. «Wer zwischen den Jahren oder nach Silvester einen Tag zum Treffen vorschlägt, ist ein paar ruhigen Feiertagen schon ein Stück nähergekommen.» Unterfüttert werden sollte das Ansinnen mit dem Hinweis darauf, dass die Kleinfamilie dringend gemeinsam ausspannen müsse und es auch vieles zu besprechen gebe. «Etwas Flunkern ist da für den eigenen Seelenfrieden schon mal erlaubt.»

Erfahrungsaustausch empfehlenswert

«Verbindliche Abgrenzung» nennt das die Psychotherapeutin Hildegard Belardi aus Bergisch-Gladbach. Die Zusicherung «wir bleiben in Verbindung» sei ein wichtiges Signal. «Es nimmt die Angst, jemanden zu verletzen, und macht Mut vorm Gespräch.» Die Befürchtung, bei den interfamiliären Verhandlungen erfolgshalber «reinhauen» zu müssen, sei dann unbegründet. Möglich sei auch, die Ankündigung eines besuchsfreien Weihnachtsfests mit dem Vorschlag zu verknüpfen: «Wir probieren es einfach mal. Und tauschen hinterher unsere Erfahrungen aus.»

Überraschungen sind dabei nicht ausgeschlossen. Psychotherapeutin Belardi weiß von einem jungen Paar zu berichten, das Jahr für Jahr mit der verwitweten Mutter eines der beiden Weihnachten feiern «musste». Die ältere Dame habe stets wie fehl am Platz unterm Christbaum gesessen. Dann schlugen sie ihr mit Herzklopfen vor, einmal ein getrenntes Weihnachtsfest auszuprobieren. Die alleinstehende Mutter sei darüber mindestens so froh gewesen wie das Pärchen: «Sie konnte sich - endlich - ihren Freundinnen zum Skiurlaub anschließen.» (ddp)