Münster/Rhede. Der ehemalige Bischof des Bistums Münster soll einen Priester trotz Verurteilung versetzt und so weitere Missbrauchsfälle ermöglicht haben.
Der 2013 gestorbene Bischof des Bistums Münster, Reinhard Lettmann, hat in den 70er-Jahren einen verurteilten pädophilen Priester versetzt und damit neuen sexuellen Missbrauch ermöglicht. Das teilte das Bistum Münster am Dienstagabend bei einer Informationsveranstaltung in der betroffenen Kirchengemeinde in Rhede im westlichen Münsterland mit.
Der 1964 zum Priester geweihte Mann wurde nach Informationen des Bistums 1968 vom Landgericht Bochum zu einer Bewährungsstrafe wegen Unzucht mit einem abhängigen Kind verurteilt. Dennoch versetzte Lettmann - damals Generalvikar des Bistums - den Kaplan 1971 nach Rhede. Dort verging sich der Priester nach Bistumsangaben an zahlreichen Kindern. Die genaue Zahl ist nicht bekannt.
Pädophiler Priester ist seit elf Jahren tot
Der stellvertretende Generalvikar des Bistums, Jochen Reidegeld, bat die Opfer in Rhede bei der Versammlung im Namen von Bischof Felix Genn um Vergebung. Reidegeld forderte seine eigene Kirche auf, Frauen den Zugang zu Ämtern möglichst schnell zu ermöglichen und Strukturen wie "Männerbünde" aufzubrechen, die als Ursache der Vertuschung für den Missbrauch in der Kirche gelten.
Hermann Kahler, ehemaliges Mitglied der Missbrauchskommission des Bistums, berichtete am Abend von zahlreichen Fällen des Missbrauchs durch den Priester, der vor elf Jahren gestorben ist. Ihn würden immer wieder Anrufe von Betroffenen erreichen, die missbraucht wurden, sagte Kahler. Darunter immer wieder Opfer aus der Kinder- und Jugendarbeit der Kirche.
Spätere Missbrauchsfälle juristisch noch nicht aufgearbeitet
Kahler schilderte, wie der Priester Auflagen bei Versetzungen ignorierte. "Er hat Grenzen überschritten, aber es gab keine Konsequenzen. Es fehlte an einem Konzept, ihn zu beaufsichtigen. Es fehlte ein fundiertes Reintegrationskonzept", sagte Kahler. Die Missbrauchsfälle in Rhede seien bislang juristisch nicht aufgearbeitet worden, "die Beweislage aber ist erdrückend".
Kahler warf der früheren Bistumsleitung vor, nicht gehandelt zu haben, und so die Voraussetzungen für neuen Missbrauch geschaffen zu haben. Er schilderte, wie der Priester zum Abschluss seiner Laufbahn im Bistum noch in der Kirchenzeitung mit einem positiven Artikel - "Der Priester mit der Gitarre" - verabschiedet wurde.
Beschuldigungen gegen 138 Kleriker im Bistum Münster
Reidegeld betonte, dass die Kirche sich dazu bekennen müsse, was sie als System auf sich geladen habe. "Es waren immer nur die Täter im Blick. Nicht im Blick hatte die Kirche die Kinder und Jugendlichen, die Opfer geworden sind. Das ist noch einmal so verletzend, weil sie so chancenlos waren, so ohnmächtig. An dieser Schuld hat die Kirche schwer zu tragen", sagte der stellvertretende Generalvikar des Bistums.
Bei der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle stehe das Bistum erst am Anfang, sagte Reidegeld. "Die Personalakten sind unvollständig. Es fehlen Versetzungsurkunden und solche Dinge."
Die katholische Kirche hatte im September eine Studie zu sexuellem Missbrauch vorgestellt. Demnach sollen zwischen 1946 und 2014 mindestens 1670 katholische Kleriker 3677 Minderjährige missbraucht haben. Im Bistum Münster fanden sich bei 138 Klerikern Hinweise auf Beschuldigungen des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger. (dpa/lnw)