Berlin. Freitag erscheint Barbara Schönebergers viertes Album „Eine Frau gibt Auskunft“. Darauf besingt sie die Frau in der Mitte des Lebens.
Barbara Schöneberger stürmt mit 20 Minuten Verspätung in das Büro ihrer Plattenfirma: die Lockenwickler noch auf dem Kopf, die Schuhe in der Hand. Die 44-Jährige hat das Image der unkomplizierten Frau von Nebenan perfektioniert. Und zwölf solcher fiktiven Biografien besingt die Wahlberlinerin auch auf ihrem vierten Album.
„Eine Frau gibt Auskunft“ erzählt von Datingstress oder dem Verlassenwerden für eine Jüngere, während Schöneberger glücklich verheiratet und zweifache Mutter ist. Im Interview mit unserer Redaktion erzählt sie, warum sie trotzdem glaubwürdig ist, weshalb sie nach der Geburt ihrer Kinder nicht mehr zum Lesen kam und wie Witze über ihr Gewicht zu ihrem Markenzeichen wurden.
Frau Schöneberger, sind Sie Feministin?
Barbara Schöneberger: In der Wahrnehmung der Menschen bin ich wahrscheinlich Feministin, aber nicht in meiner Absicht. Ich halte mich für sehr unpolitisch und die Art und Weise, wie ich lebe für selbstverständlich. Aber an den Reaktionen der Leute merke ich dann, dass ich offenbar doch eine Vorbildfunktion habe. Dass mein Leben eine politischere Dimension hat als mir bewusst ist.
Wenn ich auf die Bühne gehe oder ein Album mache, überlege ich mir vorher keine Botschaft. Aber offenbar gibt es immer noch sehr viele Menschen, die anders leben, und die das dann als ermutigend empfinden, und das finde ich dann ganz toll. Ich würde mir den Begriff nicht auf die Fahne schreiben, aber man sieht natürlich, dass an vielen Stellen noch viel Arbeit geleistet werden muss, und da mache ich dann gerne mit. Nur eben nicht edukativ, so bin ich einfach nicht.
Der Begriff ist für Sie also auch nicht negativ konnotiert?
Schöneberger: Überhaupt nicht. Wir haben es den Feministinnen zu verdanken, dass wir heute dort sind, wo wird sind. Das darf man nie vergessen. Die einzige Sache, die mich an Feministinnen stört ist, dass Frauen häufig zu Opfern werden. Ich habe mich in meinem Leben noch niemals als Opfer gefühlt. Auch nicht, wenn mich jemand vier Mal gefragt hat, ob ich nicht doch mit ihm einen Kaffee trinken gehe.
Dann habe ich halt vier Mal gesagt: Nein, ich möchte keinen Kaffee mit dir trinken. Da bin ich kein Opfer und fühle mich nicht in die Ecke gedrängt. Ich hatte immer das Gefühl, ich kann alles frei entscheiden. Ich habe mich auch nie benachteiligt gefühlt. Aber das empfinden andere Frauen sicher anders.
Wenn man sich die Texte Ihres Albums anhört gewinnt man dennoch den Eindruck, dass man als heterosexuelle Frau niemals komplett emanzipiert sein wird, weil es in jeder Lebenslage darum geht: Wie gefalle ich dem Mann am besten?
Schöneberger: Ist das so?
Die Songs erzählen Geschichten wie: Wie verhalte ich mich beim ersten Date? Wie sorge ich dafür, dass er bei mir bleibt? Wie gehe ich damit um, wenn er eine Geliebte hat oder wir keinen Sex mehr haben? Und wie arrangiere ich mich nach der Trennung mit seiner neuen, jungen Freundin?
Schöneberger: Aber würde ein Mann ein Kontra-Album schreiben, würden seine Songs sicher ganz genau so aussehen. Männer stellen sich doch die gleichen Fragen: Was muss ich tun, um sie zu daten? Wie muss ich aussehen, damit sie sich in mich verliebt? Wie bleibt sie bei mir?
Wir hatten erst überlegt, das Album „12 Frauen“ zu nennen, weil natürlich ganz viel darin vorkommt, was ich nicht in meinem eigenen Leben habe. Mein Leben ist so Pippi-Langstrumpf-mäßig, dass es thematisch sehr eindimensional geworden wäre. Ich bin mir aber sicher, wenn mein Mann sich von heute auf morgen für eine 23-Jährige von mir trennen würde, würde mir auch einiges dazu einfallen. Ich hätte dann aber auch einen 25-jährigen Freund und dann ginge es wieder.
Sie meinen also, Männer machen sich den gleichen Stress?
Schöneberger: Ich glaube schon. Ich denke, das ist keine Männer-Frauen-Frage, sondern typenabhängig. Ich glaube nicht, dass alle Männer nur harten Sex ohne Gefühle wollen und Frauen sich immer nur verlieben wollen. Das war vielleicht früher so, es gab ja auch gar keine Alternative dazu.
Aber heute entspricht das doch nicht mehr dem Leben und Denken der meisten Menschen zwischen 20 und 50. Für mich bedeutet Emanzipation und Feminismus, dass man so sein kann wie man möchte. Ich kann die Lackstiefel und den kurzen Rock anziehen, für wen auch immer, oder ich kann es nicht tun. Das mache ich nicht von Politik abhängig, sondern nur von meinen Oberschenkeln.
Ihre 12 Frauen sind mit sich unzufrieden, träumen von einem anderen Leben. Hört sich nach einem lebenslangen Kampf an. Wird das denn nie besser?
Schöneberger: Also ich mache mir eigentlich gar keinen Kopf. Aber ich argumentiere natürlich auch aus einer sehr privilegierten Situation heraus, weil bei mir alles so glücklich ist. Manchmal denke ich aber auch: Das ist doch toll, wenn man Single ist, was für Möglichkeiten man da hat. Die Welt steht einem offen und man kann sein Leben noch mal ganz neu planen. Und dann hat man im Freundeskreis die eine oder andere Frau, die sich getrennt hat, und so richtig super ist es dann auch nicht.
Auf der anderen Seite finde ich es gut, wenn Frauen sich trennen, die mit jemandem zusammen sind, mit dem sie nicht mehr zusammen sein möchten. Man kann sich doch heute auch mit 50 noch trennen, da hat man sein ganzes Leben noch vor sich. Das Leben ist für mich ein Spaziergang ohne Schwere, bei dem man immer auch rechts und links gucken sollte.
Dafür ist Ihr Album recht melancholisch geworden.
Schöneberger: In den Songs habe ich versucht, die Sicht von anderen Leuten zu verarbeiten. Ich glaube, dass viele Menschen das nachvollziehen können. Junge Eltern zum Beispiel „Du willst es doch auch“. Wenn man drei Kinder hat und beide arbeiten, dann ist es ein paar Jahre einfach nicht das größte Thema, wann man übereinander herfällt. Meine Botschaft ist: Das geht vorbei! Man muss halt etwas dafür tun.
Sie sagen, vieles von dem, worüber Sie singen, haben Sie nicht selbst erlebt. Warum halten Sie sich trotzdem für glaubwürdig?
Schöneberger: Weil ich genug Lebenserfahrung habe, um über Dinge Bescheid zu wissen. Es gibt genug Zimmer in meiner inneren Wohnung, bei denen die Tür offen steht, und ich schaue hinein. Das heißt ja nicht, dass ich in jedem Zimmer wohne. Aber viel auf dem Album ist Teil meiner Welt. Ich schaue mich ja um. Und dann bin ich mir bewusst: So könnte es auch laufen, wenn du nicht aufpasst. Aber eine schlimme Trennung mit Kindern habe ich natürlich noch nicht durchgemacht.
Und ich kann sehr leicht ein gutes Vorbild sein. Ich verdiene viel Geld und kann mir Hilfe leisten für all die Probleme, die andere Leute haben. Da ist man dann bei der Rollenverteilung. Ich lebe natürlich in einer Traumwelt, das kann man nicht einfach nachmachen und sagen: Ich bin jetzt auch einfach mal so emanzipiert. Wenn die Frau weniger verdient als der Mann, ist es ja klar, wer seinen Job aufgibt, wenn Kinder da sind. Dazu kann ich gar nichts sagen. Da kann ich vorleben was ich will und sagen: Trennt euch von euren Männern, wenn ihr es nicht mehr aushaltet.
Für mich macht es in diesem Punkt keinen Unterschied, ob ich einen Mann an meiner Seite habe. Mir ist bewusst, dass das in anderen Beziehungen nicht so ist. Deshalb tue ich mich schwer damit, anderen etwas zu raten. Ich will mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen.
Sie haben eine eigene Frauenzeitschrift. Bekommen Sie auf diese Weise auch viel mit, was andere Frauen bewegt?
Schöneberger: Natürlich. Und ich glaube, was Frauen am meisten bewegt, ist der Wunsch, sich nicht verstellen zu müssen. Die leiden am meisten darunter, dass ihnen ständig jemand sagt, wie sie zu sein haben sollen. Dabei muss man sich nur selber in seiner jeweiligen Lebensphase wohl fühlen. Als ich Mutter geworden bin, habe ich jahrelang kein Buch gelesen, kein Theater besucht, ich habe nichts hingekriegt.
Immer wenn ich mich mit Leuten unterhalten habe, die gefragt haben: Hast du das gelesen? Bist du dort gewesen? Dann habe ich mich gefragt: Wie machen die das? Wenn ich einmal im Jahr mit meinem Mann alleine im Urlaub war, habe ich zwei Bücher gelesen. Das wars. Jeweils das Neue von Joachim Meyerhoff. Und das wird jetzt langsam besser. Jetzt fange ich wieder an. Aber für manche Dinge ist dann einfach nicht die Zeit.
Ihre Taktik, einen Witz über solche Situationen zu machen, ist das eine Flucht nach vorne? Lieber selber darüber lustig machen, bevor es jemand anderes tut?
Schöneberger: Ja! Damit habe ich schon angefangen, lange bevor mir bewusst wurde, dass es eine Technik ist. Mein Motto war immer: Sprich aus, was alle denken, dann müssen alle lachen. Das ist im Laufe der Zeit mein Hauptstilmittel geworden. Da ist man auf der sicheren Seite. Man kann nie so tief fallen wie die Leute, bei denen alles perfekt ist.
Ein großes Thema ist bei Ihnen immer das eigene Gewicht. Ist es am Anfang nicht wahnsinnig schwer, darüber Witze zu machen?
Schöneberger: Nee. Ich habe darüber auch schon Witze gemacht, als dafür noch gar kein Anlass bestand. Ich bin in der komfortablen Lage, dass deshalb jetzt alle Leute denken, ich wäre wahnsinnig dick. Wenn sie mich dann treffen, sind sie überrascht und sagen: So dick ist die ja gar nicht.
Objektiv betrachtet bin ich natürlich dünner als die deutsche Durchschnittsfrau, nur wenn ich neben Sylvie Meis stehe, sieht das anders aus. Man kann es doch nicht auf Dauer durchhalten, immer perfekt auszusehen und dabei ein schönes Leben führen. Ich versuche, auf hohem Niveau das Mädchen für alle zu sein. Mein Album ist deshalb auch kein Egoprojekt, das ich mir dann zu Hause hinstellen kann. Ich möchte, dass das möglichst viele Menschen gut finden. Ich wollte etwas machen für Frauen aller Art.
Dieser Text erschien zuerst auf www.morgenpost.de