Berlin. . Es ist diese Stimme. Unverwechselbar. Da sitzt Dagmar Berghoff neben dem groß gewachsenen Ulrich Wickert in der Talkshow von Markus Lanz, und man könnte fast ein wenig erschrecken. Statt mit ihrer perfekt aufrechten „Tagesschau“-Haltung den Bildschirm zu dominieren, wirkt sie ein wenig, ja, zusammengesunken. Aber dann kommt sie endlich zu Wort, und plötzlich ist sie wieder ganz da.

Es ist diese Stimme. Unverwechselbar. Da sitzt Dagmar Berghoff neben dem groß gewachsenen Ulrich Wickert in der Talkshow von Markus Lanz, und man könnte fast ein wenig erschrecken. Statt mit ihrer perfekt aufrechten „Tagesschau“-Haltung den Bildschirm zu dominieren, wirkt sie ein wenig, ja, zusammengesunken. Aber dann kommt sie endlich zu Wort, und plötzlich ist sie wieder ganz da.

Ihre Stimme zu hören dürfte auf Generationen von Deutschen eine beruhigende, bestätigende Wirkung haben. Vom 16. Juni 1976 bis zum Silvesterabend 1999 war die gebürtige Berlinerin Berghoff, die bei Hamburg aufwuchs, Sprecherin der „Tagesschau“. Ab 1995 Chefsprecherin. Sie gehörte also fast ein Vierteljahrhundert zum bundesrepublikanischen Alltag. Egal wie das Leben gerade aussah: Abends kam Dagmar Berghoff sozusagen ins Wohnzimmer und erzählte von draußen.

Der berühmte Lachanfall änderte nichts an ihrer Seriosität

Und ihre Stimme – ruhig, dunkel, sicher – hat den Rahmen der Seriosität nie verlassen. Ganz gleich wie verrückt die Welt, von der sie berichtete, gerade erscheinen mochte. Daran änderte auch der berühmt gewordene Lachanfall nichts, nachdem sie bei den Meldungen zum Sport aus dem WTC-Turnier fast ein WC-Turnier machte. Ob sie wollte oder nicht: Sie ist Teil der Popkultur geworden, identitätsstiftend für ihr Land.

Umso berührender war es, sie am Dienstag bei Markus Lanz zu sehen, kurz vor ihrem 75. Geburtstag, den sie heute feiert. Elegant wie immer, aber man erahnt einen Kampf gegen die äußeren Zeichen des Älterwerdens. Dazu passt die Rolle, die man ihr in der Runde gibt: Juso-Chef Kevin Kühnert gilt offensichtlich als der hippere Gesprächspartner, während Berghoff geehrt wird wie ein Relikt aus der Vergangenheit.

Als sie sich in die bis dahin rein männliche Diskussion über eine potenzielle Merkel-Nachfolge einmischt und anmerkt, der Spahn könne es doch machen, da wirkt es so, als erinnere sich Lanz plötzlich an sie. Freundlich fragt er: „Ja, Sie sind da auch noch voll mit dabei?“ – fast so, wie man über einen alten Menschen in der Zeitung liest, er nehme noch rege Anteil am Tagesgeschehen. Ein bisschen von oben herab, ähnlich vielleicht wie damals die ihr öfter gestellte Frage „Wie lang wollen Sie denn noch?“, als sie gerade erst 50 war.

Aber Berghoff ist hart im Nehmen. Sie ist Jahrgang 1943 – in vielerlei Hinsicht ergibt sich daraus ein Aufwachsen von ganz anderem Kaliber als für die Generation der heute Jungen. Allein dass sie so eine Sensation war – sie als Frau in der „Tagesschau“! Die ausgebildete Schauspielerin hatte schon ab 1967 als Fernsehansagerin, Sprecherin im Radio und Moderatorin gearbeitet. Aber an so prominenter Stelle Nachrichten verlesen? Komplizierte politische Themen, Sportergebnisse, tragische Unglücke?

Ihr eigener Chef Karl-Heinz Köpcke sei lange skeptisch geblieben, erzählte sie jetzt, „der wartete im Grunde ständig darauf, dass ich in Tränen aufgelöst auf dem Tisch liegen würde, weil wieder irgendwo ein schreckliches Unglück passiert ist“. Weil sie als Frau dafür zu emotional sei. Die Zeit, in der solche Mutmaßungen noch offiziell gesellschaftsfähig waren, ist die Zeit, die Berghoff geprägt hat. Sie musste und konnte damit umgehen. Unterstützung hatte sie: „99 Prozent der Zuschauerreaktionen waren positiv.“

Die „Tagesschau“ zu sehen ist für Dagmar Berghoff bis heute tägliches Ritual – aber zum Geburtstag macht sie wie bei anderen Festen eine Ausnahme. Gefeiert wird, das erzählte sie der Nachrichtenagentur dpa, mit ihrem Ex-„Tagesschau“-Kollegen Wilhelm Wieben und zwei weiteren Freunden. Sie spielen ganz gemütlich und bodenständig zusammen das Gesellschaftsspiel Rummikub – wie schon seit Jahren.

Eine Art Familienersatz vielleicht. Dagmar Berghoff ist seit 2001 verwitwet, zehn Jahre war sie mit dem Arzt Peter Matthaes verheiratet, der an Krebs starb. Kinder hat sie keine. „Der Richtige war nicht zur richtigen Zeit da“, sagte sie einmal. Zu ihrem 75. wünscht sich Dagmar Berghoff „eigentlich nur Gesundheit. Wenn man jünger ist, wünscht man sich so viel, aber – so banal es auch klingen mag – Gesundheit ist doch das Wichtigste.“