Essen. . Sie kennen sich seit der Kindheit, jetzt traf der inhaftierte Bottroper Apotheker den Mann, der ihn vor das Landgericht Essen gebracht hat.
Sie waren Freunde seit der Kinderzeit. Am Donnerstag treffen sie nach 14 Monaten Pause im Landgericht Essen aufeinander. Denn solange sitzt Peter Stadtmann (47), der Bottroper Apotheker, in U-Haft, weil sein Jugendfreund Martin Porwoll (46) ihn wegen gepanschter Krebsmedikamente bei der Staatsanwaltschaft angezeigt hat. Porwoll sagt souverän aus, lässt sich nicht aus der Reserve locken. Stadtmann schweigt – wie immer im Prozess – und würdigt den 46-Jährigen kaum eines Blickes.
Dass Porwoll das Verfahren gegen den Apotheker ins Rollen brachte, hat ihn den Job gekostet, aber auch viel Anerkennung eingebracht. Ende vergangenen Jahres wurde ihm sogar der Deutsche Whistleblowerpreis für seine Enthüllungen verliehen.
Zuhörerreihen sind gut gefüllt
Es ist voll im Saal, als Porwoll um 9.30 Uhr Saal 101 betritt. Die Plätze für die Medien sind gut gefüllt, aber auch die Zuhörerreihen. Für ein späteres Urteil bringt die Aussage nicht mehr so viel, weil die Staatsanwaltschaft auf den Hinweis Porwolls hin bei einer Hausdurchsuchung objektive Beweismittel sicherte: In der Apotheke hergestellte Chemotherapien, die zum Teil ohne Wirkstoffe waren, sowie Ein- und Verkaufslisten der Alten Apotheke in Bottrop. Vorgeworfen wird Stadtmann, die Medikamente gestreckt und dennoch bei den Krankenkassen die Verwendung der teuren Wirkstoffe abgerechnet zu haben. Dabei soll er einen Schaden von 56 Millionen Euro angerichtet haben. Außerdem habe er gegen die Hygienevorschriften bei der Herstellung verstoßen.
Porwoll holt weit aus, als er seine Geschichte erzählt. 2012 habe der Freund – gegenseitig haben sie sich zu ihren Hochzeiten eingeladen – ihn für Personalangelegenheiten angestellt. Immerhin beschäftigt die Alte Apotheke rund 90 Mitarbeiter, macht nach Angaben von Porwoll einen Jahresumsatz von 40 Millionen Euro. Als Gehalt bekam er rund 100 000 Euro brutto.
Zu wenig Wirkstoffe für die Chemotherapie
Dann habe er mehr und mehr Gerüchte gehört, dass bei der Herstellung der Chemotherapien im Reinlabor etwas nicht stimme. Ende 2015 war das. Er habe es zunächst verdrängt, dann aber die Warenlisten verglichen. „Meine Hoffnung war, dass es keine Diskrepanz gab. Es gab aber eine Diskrepanz, die nicht mehr erklärbar war.“ Er stellte nach eigenen Worten fest, dass Stadtmann gar nicht genug Wirkstoffe für die von ihm gefertigten Rezepturen eingekauft hatte. Schließlich meldete er sich über einen Anwalt bei der Staatsanwaltschaft.
Viele Patienten und deren Angehörige sind seitdem verunsichert. Sind sie deshalb nicht genesen, weil Stadtmann mutmaßlich aus Geldgier die Medikamente gepanscht haben soll? In der Apotheke war das jedenfalls schon lange und bei vielen Mitarbeitern ein Thema, sagt Porwoll. Als eine Verwandte von ihm erkrankte, soll er Wert darauf gelegt haben, dass nicht Stadtmann die Rezeptur herstellte.
Schwester und Sohn verloren auch ihre Jobs
Mit Porwoll, der noch vor dem Arbeitsgericht um seinen Job kämpft, verloren seine Schwester nach über 40 Jahren Mitarbeit und sein Sohn ihre Stellen in der Alten Apotheke. Die Nebenklageanwälte geben Porwoll ein ums andere Mal Gelegenheit, schlecht über Stadtmann oder dessen Eltern als neue/alte Eigentümer der Apotheker herzuziehen. Doch da macht er nicht mit. Er kenne Familienunternehmen, erklärt er und erzählt, dass er zuvor jahrelang im Theater Stratmann in Essen angestellt war. Die Bottroper Welt ist klein: Arzt und Kabarettist Ludger Stratmann war sein Schwiegervater, die Anstellung endete mit der Trennung von dessen Tochter.
Viel war von Stadtmanns Verteidigern erwartet worden. Doch ihre wenigen Fragen bringen Porwoll auch nicht aus der Ruhe.