Hamburg. . Es gibt in der Dokumentation von Michael Jürgs über Leo Kirch eine Stelle, an welcher der ehemalige „Stern“-Chefredakteur mit dem RTL-Gründungsgeschäftsführer Helmut Thoma über den Zusammenbruch von Kirchs Medienimperium spricht. „Shakespeare?“, fragt Jürgs. „Shakespeare“, antwortet Thoma.
Es gibt in der Dokumentation von Michael Jürgs über Leo Kirch eine Stelle, an welcher der ehemalige „Stern“-Chefredakteur mit dem RTL-Gründungsgeschäftsführer Helmut Thoma über den Zusammenbruch von Kirchs Medienimperium spricht. „Shakespeare?“, fragt Jürgs. „Shakespeare“, antwortet Thoma.
Das Leben und vor allem auch das Scheitern des fränkischen Winzersohns Kirch könnte Stoff für ganz große Literatur sein: Erst baute er einen gigantischen Medienkonzern auf, dann legte er 2002 mit seiner mit 6,5 Milliarden Euro verschuldeten Kirch-Gruppe die größte Pleite der deutschen Nachkriegsgeschichte hin. Dass sich schon zu seinen Lebzeiten Legenden um ihn rankten, einige sahen in ihm einen finsteren Bösewicht, andere einen genialen Unternehmer, hat Kirch sich selbst zuzuschreiben. Er gab kaum Interviews, scheute öffentliche Auftritte.
Animierte Einspielerund „La Strada“-Ausschnitte
Es gibt nur wenige bewegte Bilder von ihm und offenbar überhaupt kein Material, auf dem man den 2011 gestorbenen Kirch sprechen hört. Für eine TV-Dokumentation sind das nicht eben günstige Voraussetzungen. Jürgs behilft sich mit zwei Stilmitteln: Er verwendet in seinem Film animierte Zeichnungen, in denen Szenen nachgespielt werden, von denen es kein Bildmaterial gibt. Und er zeigt immer wieder Ausschnitte aus Federico Fellinis Klassiker „La Strada“.
Der Streifen war der erste, den der angehende Filmkaufmann Kirch erwarb, um ihn mit Gewinn an die ARD zu verkaufen. Hauptfigur des Films ist der von Anthony Quinn gespielte Kraftmensch Zampano, der im Zirkus auftritt. Auch er ist ein Gescheiterter. „Der große Zampano“ heißt Jürgs’ Dokumentation, und es wird deutlich, dass er zwischen Filmfigur und Medienunternehmer Parallelen sieht.
Aber Jürgs’ Film ist keineswegs nur Feuilleton. Er zeichnet recht flott den Aufstieg Kirchs nach. Kurz vor seiner Pleite gehörten ihm Sender wie ProSieben und Sat.1, die Pay-TV-Plattform Premiere – das heutige Sky – sowie 40 Prozent des Axel-Springer-Verlags („Bild“, „Welt“). Er hielt die Übertragungsrechte an den Fußball-Weltmeisterschaften 2002 und 2006. Er war Besitzer der Formel 1. Und in seinen Archiven lagerten 12 000 Filme und Serien mit insgesamt 40 000 Stunden Programm.
Für seinen Untergang machte er den einstigen Deutsche-Bank-Chef Rolf Breuer verantwortlich, der in einem Interview unmittelbar vor der Pleite Kirchs Kreditwürdigkeit bezweifelt hatte. Den Rest seines Lebens widmete der gescheiterte Medienmogul einem Schadenersatzprozess gegen die Deutsche Bank. Als das Gericht 2014 das Finanzinstitut auf Schadenersatz von knapp einer Milliarde Euro verurteilte, war Kirch schon tot.
Jürgs hat das Bild des Medienunternehmers, der mit seinen grauen Anzügen, der abgewetzten Aktentasche und dem beigen Staubmantel – so schildert ihn der einstige ZDF-Intendant Dieter Stolte – schon zu Lebzeiten aus der Zeit gefallen schien, um eine Facette ergänzt: Kirch hat einen heute 54 Jahre alten unehelichen Sohn. Das war bisher unbekannt.
Wann nur kommt das filmreife Leben des Leo Kirch auf die ganz große Leinwand?
Fazit: Erkenntnisreiche Doku über eine ungewöhnliche Medienkarriere.
ZDF, 22.45 Uhr