Berlin. . Nett war das nicht. Nachdem Harald Schmidt mit seiner Late Night Show von Sat.1 in die ARD gewechselt war, verspottete er 2005 seinen früheren Auftraggeber mehrfach als „Unterschichtenfernsehen“. Ausgedacht hatte sich Schmidt diesen Begriff nicht. Der Medienwissenschaftler Jochen Hörisch und der Historiker Paul Nolte hatten ihn in Bezug auf das Privatfernsehen geprägt.
Nett war das nicht. Nachdem Harald Schmidt mit seiner Late Night Show von Sat.1 in die ARD gewechselt war, verspottete er 2005 seinen früheren Auftraggeber mehrfach als „Unterschichtenfernsehen“. Ausgedacht hatte sich Schmidt diesen Begriff nicht. Der Medienwissenschaftler Jochen Hörisch und der Historiker Paul Nolte hatten ihn in Bezug auf das Privatfernsehen geprägt.
Die Vermarkter von RTL Deutschland und ProSiebenSat.1 legten flugs Studien vor, die belegen sollten, dass die Privatsender gut verdienende und besser gebildete Zielgruppen ebenso erreichen wie ARD und ZDF. Schmidt schwor dem Begriff „Unterschichtenfernsehen“ ab. Das Thema schien erledigt zu sein.
ProSieben kämpft mit zahlreichen Problemen
Und nun das: In einer Telefonkonferenz mit Finanzanalysten hat ProSiebenSat.1-Chef Thomas Ebeling gesagt, seine Kernzielgruppe sei „ein bisschen fettleibig und ein bisschen arm.“ Der Mediendienst DWDL hat zuerst darüber berichtet. Die Sendergruppe dementiert das Zitat nicht. Ein Sprecher sagt jedoch, „die reine Textaussage“ spiegele „weder die Historie noch die Tonalität der Aussagen wider“. Wenn man Ebelings auf Englisch formulierte „Bemerkung aus dem Kontext zieht und wortwörtlich übersetzt, kann dies womöglich missverstanden werden“.
Wie aber muss man sie verstehen? Dazu sagt der Sprecher nichts. In Ebelings Umfeld heißt es, er habe der These eines französischen Analysten widersprechen wollen, der glaubte, Online-Plattformen wie Netflix würden Senderfamilien wie Pro Sieben Sat 1 schaden. Der Senderchef habe dem entgegengehalten, dass ganz normale TV-Zuschauer, die im Schnitt zu etwas Übergewicht neigten und keine Besserverdiener seien, klassische Fernsehkanäle wie die seiner Gruppe gegenüber Online-Plattformen à la Netflix bevorzugen.
Doch macht das die Sache besser? Ebeling hat die Begriffe „obese“ (fettleibig) und „poor“ (arm) verwendet. Das sind, zurückhaltend formuliert, keine Komplimente an seine Zielgruppe.
Dass der Vorstandschef riskiert, seine Zuschauer nachhaltig zu verärgern, ist eine Sache. Eine andere ist, dass Werbetreibende nicht unbedingt Zielgruppen schätzen, die keinen Cent auf der Naht haben und so ungebildet sind, dass sie nicht wissen, wie man sich vernünftig ernährt. Von Werbekunden aber lebt ProSiebenSat.1.
Folglich rätselt die Branche, was Ebeling bei der Abqualifizierung seiner Zuschauer geritten haben kann. War es ein Blackout? Der TV-Manager steht jedenfalls unter gewaltigem Druck. Die Geschäfte laufen schlecht. Die Marktanteile von Ebelings Sendern entwickeln sich ebenso rückläufig wie die Werbeeinnahmen. Weil eingekaufte US-Serien und Spielfilme floppten, musste ProSiebenSat.1 170 Millionen Euro auf sein Programmvermögen abschreiben. Die im Dax notierte Aktie des Konzerns stürzte vergangenen Donnerstag um zehn Prozent auf gut 25 Euro ab.
Kritiker werfen Ebeling vor, sich zu sehr auf den Einkauf von E-Commerce-Plattformen konzentriert und das TV-Kerngeschäft vernachlässigt zu haben. Vergangene Woche sickerte durch, der Aufsichtsrat suche einen Nachfolger.