Berlin/Haltern. . 10.41 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt zerschellt der Germanwings-Flug 4U9525 mit 150 Menschen an Bord am 24. März 2015 in den französischen Alpen. Fast auf die Minute genau zwei Jahre später tritt Günter Lubitz in Berlin vor die Presse. Der Vater des Copiloten Andreas Lubitz, der nach allen Erkenntnissen der Ermittler die Maschine absichtlich in die Felsen lenkte, will sich „Gehör für unser Anliegen verschaffen“. Er ist auf der Suche nach der Wahrheit, nach einer anderen Wahrheit.

10.41 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt zerschellt der Germanwings-Flug 4U9525 mit 150 Menschen an Bord am 24. März 2015 in den französischen Alpen. Fast auf die Minute genau zwei Jahre später tritt Günter Lubitz in Berlin vor die Presse. Der Vater des Copiloten Andreas Lubitz, der nach allen Erkenntnissen der Ermittler die Maschine absichtlich in die Felsen lenkte, will sich „Gehör für unser Anliegen verschaffen“. Er ist auf der Suche nach der Wahrheit, nach einer anderen Wahrheit.

Zeitgleich verneigen sich Angehörige in stiller Trauer an der Absturzstelle, und Haltern am See verstummt in einer Schweigeminute. Das örtliche Gymnasium trauert um 16 Schüler und zwei Lehrerinnen, die mit dem Todesflug von einem Spanisch-Austausch zurückkehren sollten. Den Berliner Termin bezeichnet Schulleiter Ulrich Wessel nach der Trauerfeier als „Provokation“ und „Affront gegenüber den Eltern“. Günter Lubitz wirft er „eine Form von Realitätsverlust“ vor. Klaus Radner, Vater der mit Mann und Kind umgekommenen Opernsängerin Maria Radner aus Düsseldorf, spricht von einer „Unverfrorenheit“.

„Wir haben natürlich damit gerechnet, dass uns dieser Termin übel genommen wird“, sagt Lubitz derweil in Berlin. Aber egal welcher Tag, „die Reaktionen wären gleich gewesen“. Denn trotz der erdrückenden Beweislast: Lubitz ist nicht von der Schuld seines Sohnes überzeugt. Hält er ihn für unschuldig? Mehrfach wird die Frage an ihn gerichtet. Günter Lubitz wirkt angestrengt, presst die Lippen zusammen. Er überlässt die zwei Stunden dauernde Veranstaltung weitgehend dem von ihm engagierten Luftfahrtexperten Tim van Beveren. Das aber sagt er: Dass sein Sohn zum Zeitpunkt des Unglücks nicht depressiv gewesen sei, dass er ein „verantwortungsvoller Mensch“ war.

Der Gutachter sagt, es sei nicht zweifelsfrei erwiesen, dass der Copilot allein im Cockpit gewesen sei. Er verweist auf vermeintlich widersprüchliche Daten, zeigt in seiner Präsentation auf mögliche Schreibfehler. Van Beveren spricht von möglichen technischen Problemen an der Kabinentür, kritisiert, dass bei den Ermittlungen zur Unfallursache nur Ingenieure eingesetzt worden seien, aber keine Experten, die darauf spezialisiert seien, den Menschen zu analysieren. Eine neue These hat er nicht mitgebracht. „Ich weiß nicht, was sich vor zwei Jahren abgespielt hat“, räumt Tim van Beveren ein, „wir haben alle Vermutungen – aber Vermutungen sind keine Beweise.“

Gutachten geht an die Ermittler

Sein noch unfertiges Gutachten soll – bis auf Auszüge – noch nicht veröffentlicht werden. Die zuständigen Ermittler sollen es aber bekommen. „Die Frage nach Schuld und Ursache kann erst am Ende gestellt werden“, sagt Beveren. Der Düsseldorfer Staatsanwalt Christoph Kumpa erwartet die neuen Akten gelassen. Seine Ermittlungen sind seit einem Jahr abgeschlossen, im Januar sind auch alle Beweisanträge und Strafanzeigen der Opferfamilien gegenüber Arbeitgeber, Angehörigen und Ärzten des Copiloten zu den Akten gelegt worden: Es gebe „keine Anhaltspunkte für ein strafrechtlich relevantes Verfahren“.

Kumpa hält an dem Abschlussbericht fest, nach dem Andreas Lubitz Flug 4U9525 absichtlich in die Bergkette gesteuert hat. Der Copilot wartete danach, „bis er alleine im Cockpit war“. Er manipulierte den Autopiloten so, dass dieser das Flugzeug in den Sinkflug steuerte. Die Cockpittür ließ er verriegelt. Es gibt für Kumpa „überhaupt keinen Zweifel, wer zum fraglichen Zeitpunkt die Maschine gesteuert hat“, man gehe weiterhin von der alleinigen Verantwortung des Copiloten für den Absturz aus. Auch sei erwiesen, „dass er sich in psychiatrischer Behandlung befunden“ und „an einer psychischen Erkrankung gelitten“ habe, so Kumpa gegenüber dieser Zeitung.

Vater Günter Lubitz aber wehrt sich dagegen, dass sein Sohn schon zwei Tage nach dem Absturz als „depressiver Massenmörder“ abgestempelt worden sei. Als er ganz am Anfang von seinen Gefühlen spricht, stockt er kurz. „Es ist schwer, ja fast unmöglich, den Tod eines geliebten Menschen zu begreifen und zu verkraften.“ Ein direktes Wort an die Angehörigen bleibt auch diesmal aus.