Prozess gegen Marco W. wegen sexuellen Missbrauchs auf 8. August vertagt. 17-Jähriger muss weiter in türkischer U-Haft ausharren. 13-jährige Britin erschien nicht vor Gericht - "aus Sorge um ihr psychisches Wohlergehen"

Antalya. Knapp zwei Stunden dauert die Verhandlung hinter den verschlossenen Türen des Justizpalastes von Antalya, dann steht fest: die Hoffnung auf Freiheit hat sich für Marco W. vorerst zerschlagen. Der 17-jährige Deutsche, der seit fast drei Monaten im türkischen Antalya in U-Haft sitzt, muss mindestens weitere vier Wochen im Gefängnis verbringen. Der Prozess gegen den Realschüler aus Uelzen (Niedersachsen), dem sexueller Missbrauch einer 13-Jährigen vorgeworfen wird, wurde auf den 8. August vertagt.

Die Verhandlung fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, um die Persönlichkeitsrechte des noch nicht volljährigen Angeklagten zu schützen. Auch Vertreter des deutschen Konsulats in Antalya durften deshalb nicht in den Gerichtssaal. Außerdem hatte das Gericht eine Nachrichtensperre verhängt - als Reaktion auf den Presserummel und die in großer Zahl aus Deutschland angereisten TV-Teams. Über den Verlauf der Verhandlung wurde deshalb zunächst nichts bekannt. Ein Anwalt sagte, man sei zu Stillschweigen verpflichtet.

Marco W. war bereits eine Stunde vor Verhandlungsbeginn in einem Gefangenenbus von der Haftanstalt in Antalyas Vorort Kepezalti in die Tiefgarage des Gerichtgebäudes gebracht worden. Seine Eltern, die bereits vor einigen Tagen nach Antalya angereist waren, trafen eine Viertelstunde vor Beginn des Gerichtstermins am Justizpalast ein. Eine Hauptperson allerdings fehlte: die 13-jährige Britin Charlotte W., deren Mutter den Fall mit einer Anzeige gegen Marco W. ins Rollen gebracht hatte.

Ömer Aycan, Anwalt der britischen Familie, sagte, seine Mandaten seien aus Sorge um das psychische Wohlergehen des Mädchens nicht nach Antalya gekommen. Das Gericht warte jetzt noch auf Unterlagen britischer und deutscher Behörden, sagte der Anwalt.

Marco W. spricht von einer harmlosen Schmuserei, die von Charlotte M. ausgegangen sein soll. Das Mädchen habe sich außerdem als 15-Jährige ausgegeben. Dagegen gab die junge Britin gegenüber dem Staatsanwalt zu Protokoll, Marco habe sie im Schlaf gegen ihren Willen sexuell belästigt. Unklar ist, ob Charlotte M. zum nächsten Verhandlungstermin als Zeugin geladen wurde oder ob sie an ihrem Wohnsitz in Manchester vernommen werden kann.

Türkische Medien berichteten auch gestern über den Fall. "Deutschland richtet seine Blicke auf Antalya", meldete die liberale Zeitung "Radikal". In vielen Blättern gab es, wie schon an den Vortagen, wieder Kritik an der Haltung deutscher Medien und Politiker. Ihnen wird vorgeworfen, sie hätten die türkische Justiz unter Druck setzen wollen.

In einem Interview mit "Milliyet" unterstrich der Anwalt der Familie von Charlotte M., die Türkei sei ein Rechtsstaat und die Justiz unabhängig. Niemand in Deutschland interessiere sich für die emotionale Situation des Mädchens und die Lage ihrer Familie, klagte Aycan. Es sei eine "Tragikomödie", wenn der Fall in Deutschland sogar mit den türkischen EU-Beitrittsverhandlungen in Zusammenhang gebracht werde.